19.03.2021

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„Kan kun vaere malet af en gal Mand!“ ist eigenhändig

Mittels Infrarotfotografie wurde festgestellt

Mittels Infrarotfotografie wurde festgestellt

Das Rätsel um die geheime Botschaft auf Edvard Munchs ersten „Schrei” ist dank Infrarotfotografie und anschließenden Handschriftenvergleichen endlich gelöst

Mittels Infrarotfotografie wurde festgestellt, dass Edvard Munch selbst mit dem Bleistift auf seinen ersten „Schrei" schrieb. Foto: Annar Bjorgli/The National Museum

Vor knapp 120 Jahren, 1904, entdeckten aufmerksame Kunstbetrachter*innen auf Edvard Munchs erstem „Schrei“-Gemälde den mit Bleistift geschriebenen Satz: „Kan kun vaere malet af en gal Mand!“ Übersetzt steht oben links im orangefarbenen Himmel: „Kann nur von einem Verrückten gemalt worden sein!“

Jetzt haben kunsttechnologische Untersuchungen mittels Infrarotfotografie und anschließende Handschriftenvergleiche ergeben, dass die Kritzelei eindeutig vom Maler selbst stammt. Das teilte das Nationalmuseum in Oslo auf seiner Internetseite mit. „Die Schrift war schon immer mit bloßem Auge sichtbar, aber sie war sehr schwierig zu interpretieren. Unter dem Mikroskop sieht man, dass die Bleistiftlinien physisch auf der Farbe liegen und erst nach der Fertigstellung des Gemäldes aufgetragen wurden“, wird dort Thierry Ford, Malerei-Konservator am Nationalmuseum zitiert. Weitere Veränderungen, Übermalungen oder Skizzen fand der Konservator bei seinen Untersuchungen nicht.

Nahaufnahme der Botschaft „Kan kun vaere malet af en gal Mand!“ von Edvard Munch. Foto: Borre Hostland/The National Museum
Der mit Bleistift geschriebene Satz unter Infrarotlicht. Foto: Borre Hostland/The National Museum

Da das Nationalmuseum in Oslo momentan geschlossen ist und seinen Umzug in einen Neubau der Architekten „Kleihus + Schuwerk“ an der Hafenpromenade vorbereitet, werden mehrere Kunstwerke restauriert und erforscht. Zu ihnen gehört auch Munchs erstes „Schrei“ Gemälde von 1893.

Das Erstaunlichste an der jüngsten Meldung aus dem Norwegischen Nationalmuseum sind die Jahre, die zwischen der Entdeckung des Schriftzuges und seiner Erforschung liegen. Denn bereits 1904 wurde die Bleistiftkritzelei auf dem Gemälde entdeckt. Die Annahme, sie sei der bissige Kommentar eines Betrachters, reichte dem Museum bisher offenbar als Erklärung, obwohl es die Theorie der Eigenhändigkeit durch den Künstler parallel dazu ebenso gab. Nun liefert das Museum auch den möglichen Hintergrund für diesen Künstler-Kommentar.

Und zwar führt es ihn nicht nur auf die Krankheitsgeschichte von Munchs Familie und seine eigene Angst vor einer Geisteskrankheit zurück. Denn es gab – wahrscheinlich – einen direkten Auslöser für den eigenhändigen Kommentar. Der hing nach den Recherchen des Museums mit der ersten Ausstellung des „Schreis“ in Norwegen 1895 zusammen. Die führte nicht nur zu heftigen Diskussionen über die dargestellte Angstvision, sondern auch zu Kommentaren über die geistige Gesundheit des Künstlers.

So urteilte der Direktor des Norwegischen Museums für Dekorative Kunst und Design, Henrik Gosch, über den Maler: Man könne Munch nicht mehr als „ernsthaften Mann mit normalem Gehirn“ bezeichnen. In einer daraufhin veranstalteten Studentendiskussion gab es sowohl Lob für den Künstler und seine Gemälde als auch Kritik und Interpretationsversuche.

Überliefert ist die Diagnose des Medizinstudenten Johan Scharffenberg, der Maler sei psychisch krank. Da Munch wahrscheinlich an dieser Veranstaltung teilgenommen hatte, gilt sie dem Museum als Auslöser für den Bleistiftkommentar. „Nach unserer Theorie schrieb Munch diesen Satz, nachdem er Scharffenbergs Urteil über seine psychische Gesundheit gehört hatte. Man kann davon ausgehen, dass er es kurz nach der Diskussion 1895 tat, entweder noch während oder nach der Ausstellung in Oslo“, wird Mai Britt Guleng, Kuratorin am Nationalmuseum, in der Mitteilung zitiert. Mai Britt Guleng interpretiert die Inschrift einerseits als ironischen Kommentar und andererseits als Ausdruck der Verletzlichkeit des Künstlers. Und ergänzt: „Das Schreiben auf das fertige Bild zeigt, dass das Schaffen für Munch ein kontinuierlicher Prozess war.“

Ob ein nachträglicher Kommentar aufgrund einer verletzenden Kritik als Teil des Schaffensprozesses gewertet werden kann, ist zwar etwas fragwürdig. Immerhin steht nun zweifelsfrei fest, dass die Schrift auf dem Gemälde nicht durch Vandalismus entstand, sondern als Teil der Geschichte des Kunstwerks und seines Malers verstanden werden kann.

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