02.10.2017

Beruf Projekte

Durch ihre Hände sind wichtige Werke mittelalterlicher Kunst gegangen

Diplom-Restaurator Boris Frohberg verbrachte seinen Sommer in diesem Jahr in der Slowakei und besuchte für uns zwei spannende Ausstellungen in Košice, die sich der bedeutenden slowakischen Restauratorin Mária Spoločníková und dem bekannten spätgotischen Meister Paul von Leutschau widmeten.

Mária Spoločníková bei der Arbeit in ihrem Atelier. Foto: Svätopluk Píseck
Ausstellung eines Röntgenbildes als Kunstobjekt im Dom Kosice. Foto: Boris Frohberg
Ausstellungsobjekt eines Röntgenbildes im Dom Kosice. Foto: Boris Frohberg
Ausstellungspräsentation eines Röntgenbildes im Dom Kosice. Foto: Boris Frohberg
Dom Kosice. Foto: Boris Frohberg
Schichtenfolge auf Marienplastik. Foto: Boris Frohberg

Grundlagenforschung wurde sehr ernst genommen

Das Jahr 2017 ist in der Slowakei ist aus kunsthistorischer Sicht dem 500. Jahrestag des Einbaus eines Holzflügelaltars des Holzschnitzers Meister Paul von Leutschau (Pavel von Levoča) in der Basilika St. Jakob in Levoča gewidmet. Er ist zweifelsohne der bekannteste Künstler der Spätgotik, der auf dem Gebiet der heutigen Slowakei wirkte. In diesem Zusammenhang widmete sich die Ostslowakische Galerie von Košice und der Dom St. Elisabeth in Košice dem Lebenswerk einer bekannten Restauratorin: Der 90. Geburtstag von Mária Spoločníková wurde als Anlass dieser Würdigung genutzt. Die zwei Ausstellungen zeichneten ein repräsentatives Bild von Leben und Werk dieser bedeutenden slowakischen Restauratorin und leisteten dabei einen Beitrag zur Erforschung der Werke von Meister Pavel aus Levoča.
Die Kammerausstellung Ostslowakischen Galerie (teils auch Osteuropäische Galerie genannt) und im Dom St. Elisabeth in Košice zeigten die bedeutendsten Werke der gotischen Kunst, dieMária Spoločníková restauriert hat, aber auch diejenigen, die weniger bekannt sind. Sie umfassen Altäre, Epitaphien, Tafelbilder und gefasste Skulpturen gleichermaßen und belegen die Qualität ihrer Restaurierungsarbeiten.

Košice zeigt sich selbstbewusst im Umgang mit der Restaurierungsgeschichte

Die Präsentationen zeigen eine Würdigung der Restaurierungsethik, die wir aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durchaus noch gut kennen. Es erscheint aus der heutigen Sicht durchaus mutig, selbstbewusst zu den großflächigen bzw. kompletten Neufassungen und Neuvergoldungen der gotischen Skulpturen zu stehen, wenn diese auch durch Untersuchungen belegt sind. Dennoch bleibt anzumerken, daß sie als Randnotiz durchaus kritisch hätten hinterfragt werden können. In diesem Zusammenhang fallen die vertikal über das Gesicht verlaufenden Schichtentreppen auf. Eine auch innerhalb der akademischen Restaurierung vor wenigen Jahrzehnten noch übliche Vorgehensweise, die uns älteren Restauratoren bekannt vorkommt, aber heute meist vor der kritischen Öffentlichkeit versteckt wird. Welche Kollegin, welcher Kollege hätte den Mut in einem vergleichbaren Ausstellungsprojekt in Deutschland zu diesen früheren Fehlern zu stehen und diese Vorgehensweise im restaurierungsgeschichtlichen Kontext als (modernes) Kunstwerk, versehen mit seiner eigenen Handschrift, selbstbewusst zu zeigen?

Bereichert wurden die Ausstellungen durch multivisuelle Darstellungen, begreifbare Gipsabgüsse mittelalterlicher Madonnenplastiken (haptische Faksimile), Röntgenbilder und Analyseprotokolle. Sie zeugen davon, daß die wissenschaftliche Grundlagenforschung durchaus sehr ernst genommen wurde und geben Einblicke in die angewandten Restaurierungsverfahren. Im Südturm des Domes St. Elisabeth in Košice sind die Röntgenaufnahmen zudem als Kunstwerke interpretiert und als Rauminstallationen erlebbar. Durch diese Darstellungen kommt ein weiterer Aspekt hinzu. Hier wandert das wissenschaftliche Instrument in den Bereich der bildenden Kunst und verselbstständigt sich als eigenständiges Kunstwerk – wirkungsvoll in Szene gesetzt.

Mária Spoločníková gehört zur ersten Generation von professionellen slowakischen Restauratorinnen

Außerdem ermöglicht die Ausstellung einen dreifachen Blick auf das Kunstwerk: auf die Arbeit in der Restaurierungswerkstatt (im Museum), auf das Kunstwerk am originalen Standort (im Dom) und auf ein Nebenprodukt der wissenschaftlichen Arbeit, als selbstständiges Kunstwerk (Südturm des Domes). Im Rückblick bleibt zu sagen, daß die Würdigung des Lebenswerkes einer Restauratorinnenpersönlichkeit in unseren Breiten durchaus Seltenheitswert besitzt und der geneigten Aufmerksamkeit der hiesigen Fachwelt wert ist. Denn Mária Spoločníková gehört zur ersten Generation von professionellen slowakischen Restauratorinnen. „Durch ihre Hände sind unsere bedeutendsten Werke mittelalterlicher Kunst gegangen“, erklärt Kuratorin Katarína Nádska.

Informationen:

Kuratorin der Ausstellung: Katarína Nádaská
Zusammenarbeit: Juraj Gembický, Ľudmila Zozuľáková
Übersetzungen: Janka Jurečková, Denisa Herelová, Veronika Mikulová
Digitalisierung der Fotodokumentation: Ondrej Rychnavský
Technische Zusammenarbeit: Copyvait, Esolutions, Union der blinden und sehbehinderten Slowakei, Vis Gravis
Partner: Dom St. Elisabeth in Košice, Slowakische Nationalgalerie in Bratislava

Die Ausstellung wurde vom Fonds für die Förderung der Kunst aus öffentlichen Quellen gefördert.

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