17.01.2018

Museum

Doppelkatalog zur Doppelausstellung

Entartete Kunst‘ – Beschlagnahmt und verkauft“ restauriert und konserviert. Hier die Abnahme alter Montagestreifen an einem Holzschnitt von Edvard Munch. Foto: Kunstmuseum Bern

Nach jahrelanger Vorbereitung eröffneten am 2. und 3. November 2017 zwei Ausstellungen, die sich mit dem so genannten „Münchner Kunstfund“, dem Erbe des Kunsthändlersohnes Cornelius Gurlitt beschäftigen. Das Kunstmuseum Bern zeigt „Entartetet Kunst. Beschlagnahmt und verkauft“, die Bundeskunsthalle in Bonn „Der NS-Kunstraub und die Folgen“. Zu beiden Ausstellungen ist ein gemeinsamer Katalog mit den Titel „Bestandsaufnahme Gurlitt“ erschienen.

 

Der Katalogtitel „Bestandsaufnahme Gurlitt“ ist klug gewählt. Nicht nur, weil er die Vorläufigkeit der Forschung betont, sondern vor allem, weil er ehrlich darauf hinweist, dass längst nicht alles erforscht worden ist. Für viele Werke aus dem Besitz von Cornelius Gurlitt bedeutet das, kurze Provenienzangaben voller Lücken. Sie trotzdem zu publizieren zeigt eine bisher in Provenienzforscherkreisen nur seltene Offenheit.

Die „Bestandaufnahme“ beschränkt sich glücklicherweise nicht auf das Dokumentieren. Der Katalog vereint Texte über Forschungen zur NS-Kunstpolitik, zum Kunstmarkt nach 1933, zur Familie Gurlitt und zu jüdischen Sammlern, deren Besitz im Münchner Kunstfund identifiziert werden konnte. Mit jedem Text werden dem Bild von Kunstraub, Kunstverkauf und Kunstpolitik Fakten aus neuen Blickwinkeln hinzugefügt, so dass Verflechtungen, Abhängigkeiten, Zusammenhänge deutlich werden. Während sich bei vergleichbaren Textsammlungen, viele Fakten wiederholen und den Leser mehr langweilen als informieren, wird das hier zum Glück weitgehend vermieden. Ärgerlich ist allerdings die unverhohlene Medienschelte, die suggeriert, dass das Berichten über den Kunstfund komplett falsch und skandalös gewesen sei. Das ist wenig souverän. Noch ärgerlicher ist es jedoch, wenn es auch noch von einem beteiligten Journalisten behauptet wird.

Wie kleinteilig und trotz intensiver Forschungen am Ende doch erfolglos Provenienzrecherchen sein können, zeigen die Katalogautoren an mehreren Beispielen. So stellt etwa Andrea Bambi die Sammlung des Dresdner Juristen Fitz Salo Glaser vor. Glaser sammelte neben Dresdner Künstlern seiner Zeit wie Otto Dix und Wilhelm Lachnit, auch Feininger und Beckmann, Klee und Kandinsky, Nolde und Kokoschka. Aus Glasers Besitz befindet sich ein sicher identifiziertes Aquarell von Wilhelm Lachnit im Gurlitt-Fund. Ob auch zwei weitere Werke zu Glasers Kunstbesitz gehörten, kann bisher nur vermutet werden.

Wie dieser Forschungsbericht können und wollen auch andere nur ein Zwischenstand sein. Das ist weniger unbefriedigend als es klingt, denn diese Geste der Offenheit informiert den Leser sehr genau über die Dimensionen von Provenienzrecherchen und macht Misserfolge verständlich. Es wäre wünschenswert, wenn eine solche Transparenz beispielhaft für jedes weitere Katalog- und Ausstellungsprojekt werden würde.

 

„Bestandsaufnahme Gurlitt“, Hg. Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH, Kunstmuseum Bern, Hirmer Verlag, 344 S., 29,90 Euro

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