11.08.2023

Museum

Die Schaurestaurierung von Rebecca Horn in Berlin

An der Schaurestaurierung von Rebecca Horns „Raum des verwundeten Affen“ in der Neuen Nationalgalerie (Berlin) arbeite Julia Giebeler mit. Die selbständige Restauratorin begeistert sich für Restaurierungstheorie und zeitgenössische Kunst. Foto: Screenshot Youtube

An der Schaurestaurierung von Rebecca Horns „Raum des verwundeten Affen“ in der Neuen Nationalgalerie (Berlin) arbeite Julia Giebeler mit. Die selbständige Restauratorin begeistert sich für Restaurierungstheorie und zeitgenössische Kunst. Foto: Screenshot Youtube

Heute blicken wir zurück auf die Schaurestaurierung „Raum des verwundeten Affen“ von Rebecca Horn in der Neuen Nationalgalerie in Berlin (Reihe „In Preparation“). Die Künstlerin zählt zu den außergewöhnlichsten und vielseitigsten ihrer Generation: Bekannt wurde Rebecca Horn 1972 als jüngste Teilnehmerin der epochemachenden „documenta 5“ (kuratiert von Harald Szeemann). Mit ihren frühen Körperinstrumenten und Performances, über ihre Spielfilme und kinetischen Skulpturen bis hin zu ortsspezifischen Installationen, aber auch mit ihren intimen Zeichnungen und Gedichten ist Rebecca Horns Œuvre äußerst facettenreich


Rebecca Horn: „Meine Maschinen besitzen fast menschliche Eigenschaften“

Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der Ausstellung „Die Endlichkeit der Freiheit“ – ein einzigartiges Ausstellungs- wie kulturpolitisches Großprojekt der politischen Wendezeit – hat die Neue Nationalgalerie in Berlin vor zwei Jahren zwei Kurzdokumentationen erstellt, um Rebecca Horns Installation „Raum des verwundeten Affen“ vorzustellen.

Die Schaurestaurierung von Rebecca Horns „Raum des verwundeten Affen“ in der Neuen Nationalgalerie in Berlin sehen Sie hier im Video:

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Sie ist eine von vielen merkwürdigen Maschinen, die Rebecca Horn vor allem seit den 1980er Jahren gebaut hat. Manche schleudern Farbe an die Wände oder drücken zitternde Stifte auf weißes Papier oder Violinen spielen wie von Geisterhand. Manche dieser poetischen Maschinen entfalten Pfauenfedern, lassen Messer tanzen, klappen Bücher auf und zu oder bringen träges Quecksilber in Bewegung. „Meine Maschinen sind keine Waschautomaten. Sie besitzen fast menschliche Eigenschaften und müssen sich auch verändern. Sie sind nervös und müssen auch manchmal innehalten. Wenn eine Maschine nicht mehr weiterläuft, bedeutet das nicht, dass sie kaputt ist, sie ist nur erschöpft. Der tragische oder melancholische Aspekt der Maschine ist mir wichtig. Ich will gar nicht, dass sie ewig funktionieren.“

Die Schaurestaurierung bildete den Auftakt der Reihe „In Preparation“

Doch wie geht man mit dieser Aussage der Künstlerin um im Hinblick auf eine adäquate Restaurierung und Präsentation der Arbeiten? Wie oft kann man die Arbeit in einer Ausstellung in Funktion zeigen, ohne ihre Erhaltung zu gefährden? Die öffentliche Restaurierung von Rebecca Horns Installation „Raum des verwundeten Affen“ vom 17. März bis 25. Mai 2020 am Berliner Kulturforum bildete den Auftakt der Reihe „In Preparation“, mit der die Nationalgalerie Einblicke in die kuratorischen und restauratorischen Vorbereitungen für den Neubau am Kulturforum gewährt. Die Reihe ermöglicht einen Blick hinter die Kulissen der Museumsarbeit und konkret in die Vorbereitungen für den Neubau der Nationalgalerie.

Über die Ausstellung „Die Endlichkeit der Freiheit“ im Herbst 1990

Die Bildhauerin, Aktionskünstlerin und Filmemacherin Rebecca Horn zählt zu den bedeutendsten Künstlerinnen unserer Zeit. Die 1944 in Michelstadt (Hessen) geborene Künstlerin schuf die Installation „Raum des verwundeten Affen“ für das von ihr mit initiierte Ausstellungsprojekt „Die Endlichkeit der Freiheit“, das im Herbst 1990 in Ost- und West-Berlin stattfand. Zu sehen waren Arbeiten im öffentlichen Raum von Künstler:innen wie Barbara Bloom, Hans Haacke, Ilya Kabakov und Via Lewandowsky. Horn konzipierte die kinetische, auf Bewegung und Interaktion beruhende Rauminstallation für ein Haus im Mauergrenzgebiet nahe dem Potsdamer Platz.

Zwei Metronome mit verschiedenen Zeittakten für Ost und West

Die Mauer war demontiert, Deutschland noch nicht wiedervereint. Mitten im vormaligen Grenzstreifen stand in der Stresemannstraße 128 ein einsames Haus. In einem abgedunkelten Raum zu ebener Erde inszenierte Horn den “Raum des verwundeten Affen”: Auf dem Boden lag Kohle, eine Papierschneidemaschine bewegte sich geräuschvoll auf und ab, durch ein Fernglas und zwei Löcher in der Fassade konnte man gen Westen blicken. An der Decke waren paarweise sechs schlangenförmige Kupferrohre montiert, die geladen mit Hochspannungsstrom zwischen sich Lichtbögen erzeugen und den Raum in ein spärliches Licht tauchen. Das Gegeneinander der Stäbe wurde am Boden von zwei Metronomen aufgenommen, die verschiedene Zeittakte anschlugen, das heißt im Westen schneller als im Osten schlugen.

Die Reinszenierung 1996 im Hamburger Bahnhof

1996 wurde der „Raum des verwundeten Affen“ erstmals im Museum, im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin, reinszeniert. Als symbolischer Kommentar zur Situation Berlins auf dem Weg zur deutschen Einheit ist dieses Schlüsselwerk der Sammlung der Nationalgalerie für den Neubau am Kulturforum vorgesehen. Es war ein einzigartiges Ausstellungs-projekt der politischen Wendezeit. Die Kunsthistorikerin und Journalistin Sarah Alberti schreibt: „Indem Horn den Raum zugänglich machte, betonte sie den euphorischen Moment der Maueröffnung, die nicht zuletzt das Ende des Schießbefehls zur Folge hatte. Zugleich war die deutsche Teilung noch sichtbar in das räumliche Setting eingeschrieben, so durch eine in die Hinterlandmauer eingebaute Tür und verbarrikadierte Schaufenster des einstigen Geschäftes gen Westen. Horn versinnbildlichte die Grenzanlagen in ihrer permanenten Gefahr: Der abgedunkelte Raum machte deutlich, was für Bürgerinnen und Bürger der DDR Jahrzehnte Realität war.

Ziel der Restauratorinnen war eine lückenlose Dokumentation der Werkgenese und eine Probe-Installation

Die Schneidemaschine kann als Metapher für die Grenzsoldaten interpretiert werden, die eingesetzt waren, um die DDR vor Republikflüchtlingen zu schützen. Dieser Eindruck wurde gestützt von der Geräuschkulisse: Das Klacken der Maschine erinnerte an automatische Schießanlagen, die auf kleinste Bewegungen reagierten. Peter Weyrich, Assistent von Rebecca Horn, sorgte mit seinem Know How dafür, dass die kinetischen Objekte der Installation korrekt montiert und instandgesetzt wurden. Ziel der Restauratorinnen Eva Rieß und Julia Giebeler war eine lückenlose Dokumentation der Werkgenese und eine Probe-Installation, bei der möglicherweise auftretende Probleme bei der längerfristigen Präsentation und Inbetriebnahme bereits im Vorfeld erkannt werden können.

Tipp: Julia Giebeler ist von ihrem Beruf, ihren Restaurierungsaufträgen und der damit verbundenen Forschung voll und ganz begeistert. Ihre Lieblingsthemen sind: Restaurierungstheorie und zeitgenössische Kunst. Das Porträt lesen Sie hier.

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