16.10.2020

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Die Londoner Wallace Collection erforscht Möbel von Jean Henri Riesener

Bisher sind die Möbel von Jean Henri Riesener wenig erforscht. Doch ein Team der Londoner Wallace Collection holt dies seit 2014 an den Möbeln aus ihrem Besitz und denen von Waddesdon Manor und aus der Royal Collection nach. Die neuen Erkenntnisse werden in einem Buch veröffentlicht und im Frühjahr 2021 in einer Ausstellung gezeigt

Johann Heinrich Riesener wurde 1734 in Gladbeck in Westfalen geboren. Bekannt, berühmt und reich wurde er jedoch in Paris als Jean Henri Riesener. Dorthin war der Sohn eines Bauern und Stuhlmachers ausgewandert. Dort lernte er das Ebenistenhandwerk bei dem berühmten Möbeltischler Jean Francois Oeben und heiratete 1767, einige Jahre nach Oebens Tod, dessen Witwe. Ob es eine Liebesheirat war, ist nicht überliefert, wie überhaupt nicht viel über den „Ebenisten des Königs“ bekannt ist. Von großem Nutzen für Riesener war die Hochzeit allemal. Denn erst durch sie konnte er als Ausländer überhaupt Meister in der Zunft der Ebenisten werden. Bis dahin musste er mit dem Namen seines Lehrmeisters Oeben signieren. 

Auch wenn nicht viel über die Person Rieseners bekannt ist, die Qualität der Riesener-Möbel, deren beste zwischen 1774 und 1784 vor allem für Ludwig XVI. und Maria Antoinette entstanden, wird hoch geschätzt. Denn auch nach dem Sturz von König und Adel blieb Riesener ein gefragter Möbelbauer, wenn auch seine Glanzzeit vorbei war. Das lag am Geld, an der neuen Zeit und an einer weniger prunkorientierten Mode. Nach der Revolution konnte Riesener noch eigene Möbel umarbeiten, denn die königlichen Insignien mussten verschwinden und durch Ornamente ersetzt werden. Doch das Desinteresse an den einst so beliebten Möbeln von höchster handwerklicher Qualität, großem mechanischen Erfindungsreichtum und exquisit verarbeitetem Material nahm stetig ab. Riesener starb 1806 im Alter von 71 Jahren nicht verarmt, aber auch nicht als reicher Mann, der er einst war. 

Heute zählen viele Museen und Sammlungen Riesener-Möbel zu ihren besonderen Schätzen und auf dem Kunstmarkt werden fünf- und sechsstellige Preise bezahlt. Trotzdem sind die Möbel bisher wenig erforscht. Das hat ein Team der Londoner Wallace Collection seit 2014 an den Möbeln aus ihrem Besitz und denen von Waddesdon Manor und aus der Royal Collection nachgeholt. Die Wallace Collection besitzt selbst elf Riesener-Möbel, insgesamt konnten 29 Möbel untersucht werden. „Im Gegensatz zu früheren Forschungsarbeiten liegt der Schwerpunkt dieses Projektes auf der Untersuchung der Methoden, Techniken und Materialien, um Rieseners Arbeitspraktiken zu untersuchen“, heißt es in der Projektbeschreibung. Die neuen Erkenntnisse werden im kommenden Herbst in einem Buch veröffentlicht. Im Frühjahr 2021 sollen die Forschungsergebnisse und restaurierte Möbel dann in der Wallace Collection in einer Ausstellung gezeigt werden.

Jürgen Huber, Möbelrestaurator der Wallace Collection, gibt schon jetzt einen kleinen Einblick in diese Ergebnisse: „Obwohl jedes Stück einzigartig sein musste, optimierte Riesener seine Produktionsprozesse, indem er Komponenten entwickelte. Das bedeutete, dass jedes so hergestellte Möbelstück weniger arbeitsintensiv war und dadurch die Kosten gesenkt werden konnten. Die Qualität und das Design der in seiner Werkstatt hergestellten Möbel war jedoch gleichbleibend hoch.“ Huber ergänzt: „Riesener verstand die Eigenschaften der ihm zur Verfügung stehenden Materialien einfach bestens. In allen hier beobachten Fällen wurden die Korpusse und Schubladen aus langsam wachsender Eiche von sehr hoher Qualität hergestellt. Aber er war auch sehr einfallsreich bei der Berücksichtigung von Holzfehlern wie Knoten und Unregelmäßigkeiten in der Maserung. Obwohl er oft Holz mit vielen kleineren oder größeren Fehlern einsetzte, beachtete er immer, dass niemals die strukturelle oder ästhetische Integrität eines Teils des Möbelstücks beeinträchtigt wurde. Nadelbaumholz wurde nur für Paneele innerhalb eines Eichenrahmens benutzt, oder es wurde furniert oder mit Leder überzogen. Mahagoni wurde von Riesener bei der Herstellung seiner Möbel erst später verwendet.“ 

Lesen Sie mehr dazu in der RESTAURO 7/20.

 

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