05.03.2018

Projekte

Denkmalpflege gibt den Ton an

Festigung und Oberflächenreinigung. Foto: Bundesdenkmalamt

Im Kunsthistorischen Museum Wien geht die Reihe FOKUS DENKMAL in die achte Runde. Bei diesem Format gibt die Denkmalpflege den Ton an. Dieses Mal geht es um provinzialrömische Siedlungsreste aus dem oberösterreichischen Lorch, darunter Wandmalereien mit dem sagenumwobenen Kopf der Medusa, was aber kein Grund zur Furcht ist – im Gegenteil.

Es ist ein kleines Guckfenster in die antike Welt: Die Ausstellung „Das Haus der Medusa“ im Kunsthistorischen Museum Wien (KHM). Die Schau erzählt der Reihe nach die konservatorisch mühevolle und umfangreiche Geschichte archäologisch freigelegter römisch-kaiserzeitlicher Siedlungsreste in Form zahlreicher Wandmalereifragmente. Im Jahre 2000 sollte in Lorch, einem Stadtteil der oberösterreichischen Stadt Enns, eine Garage gebaut werden. Lorch verdankt seinen Namen der Römerstadt Lauriacum, welche im 3. Jahrhundert an der Grenze des römischen Imperiums an der Donau blühte. Die ersten Legionslager in Enns entstanden ca. 185, noch während der Regierungszeit von Kaiser Commodus (161–192 n. Chr.). Die Notgrabungen des Bundesdenkmalamts an dieser Stelle waren bedeutungsvoll. Was sich unter jenen Erdschichten verbarg, ist ein Schatz solcher Größenordnung, dass er ein neues Fragment unserer Geschichtsschreibung darstellt.

Das Sujet der Ausstellung: Decken-Medaillon mit dem Haupt der Medusa. Zu sehen der Zustand der Fragmente nach der konservatorischen Erstversorgung, Zusammenfügung und Verklebung einzelner Fragmentteile im Sandbett. Foto: Bundesdenkmalamt
Die Zustandsaufnahme während der Bergung der Fragmente aus den Blöcken. Foto: Bundesdenkmalamt
Zwischenlagerung der Fragmente, nachdem sie geborgen und gereinigt wurden. Foto: Bundesdenkmalamt
Fragmente im Sandbett: Zusammenfügen einzelner Fragmente, Festigung und Oberflächenreinigung. Foto: Bundesdenkmalamt
Versetzen und Einrichten der Fragmente: Foto: Bundesdenkmalamt
Medaillon mit dem Kopf einer Medusa (Detailansicht) – es datiert in das 3. Jahrhundert n. Chr. Hier: Der Zustand nach der Restaurierung. Foto: Bundesdenkmalamt

“Das Haus der Medusa”

Die geborgenen Malereifragmente stammen aus dem 2./3. Jahrhundert – es sind elegante Raumdekorationen von besonderer Qualität und künstlerischem Können. „Das Haus der Medusa“, wie das einstige Wohngebäude genannt wird, aus dem die farbig verzierten Überreste stammen, trägt seinen Namen der drei Freskobildnisse wegen, die mit dem Gesicht der Medusa bemalt sind. Ursprünglich waren wohl alle Decken-Medaillons mit diesem Bild geschmückt. Denn in der Antike galt das von Perseus geköpfte Haupt dieses schönen Monsters als unheilabwehrend.

Die Räumlichkeiten des Hauses wurden über das gesamte 3. Jahrhundert hinweg bewohnt, da die betreffenden Zimmer in vier Ausstattungsphasen, davon drei mit bunten Malereien, geschmückt sind. Ein luxuriöses Haus also, das mit Bodenheizung ausgestattet war und die Präsentationsräume gegen Süden ausgerichtet hatte. Vermutlich war es das Haus eines höherrangigen Offiziers.

Aus der Erde in die Vitrine

Das Kunsthistorische Museum Wien eignet sich mit seiner herrschaftlichen Präsenz, die an den antiken Städtebau anlehnt, sehr gut als Kulisse für das Medusenhaus. Der Eingang im linken Flügel des Mittelgeschosses führt in die zwei Räume der Ausstellung. Der Erste veranschaulicht den Werdegang der Fragmente von ihrem Fundort bis ins Museum. Der dahinterliegende Raum präsentiert die restaurierten, antiken Kunstwerke auf unterschiedliche Weise. Der Spannungsaufbau gelingt hier, indem den Museumsbesuchern die echten Schätze vorerst noch vorenthalten werden. Es wird mit Texten, Fotos, Film, Licht und den historischen Originalen ein abwechslungsreiches Ganzes gebildet. Bemerkenswert ist, dass u. a. auch Fragmentbilder in Mörtel und Putz gebettet und in massiven Alurahmen an den Wänden platziert sind. Ohne das schützende, aber auch trennende Glas kann man als Besucher der Antike unfassbar nahe sein und dem Abbild der Medusa direkt in die Augen sehen.

Ein Kurzfilm zeigt die umfangreiche Auseinandersetzung mit den antiken Fragmenten, deren naturwissenschaftliche, konservierungswissenschaftliche und archäologische Aufarbeitung 2013 im österreichischen Bundesdenkmalamt begann. Fast trickfilmhaft wird die Reise der Wandmalereien dargestellt, deren große historische Bedeutung als überlieferter Bestand Schritt für Schritt ersichtlich wurde: Zu Beginn die Ankunft der Funde in 42 Euroboxen, schließlich das Sortieren und Zusammensetzen der Fragmente durch puzzeln anhand lebendiger Arbeitsfotos. Der Film endet mit einem virtuellen Besuch des rekonstruierten Hauses, in das die Decken- und Wandmalereien eingegliedert sind. Er zeigt den hohen Grad des arbeitstechnischen Könnens und der konservatorischen Professionalität. Ein 30.000 Teile Puzzle würde vor Neid erblassen.

Ein Unikat in der Provinz Noricum

Die beachtlichste Ausstattung dieses Hauses findet sich in der 3. Übermalungsphase. Das polychrome Architektursystem und die figürliche Ausschmückung, die damals die Räume zierte, sind für die Provinz Noricum bisher singulär. Die Farbgewaltigkeit betört fast genau so, wie sie es damals getan hat. Auf einfache und anschaulich Weise werden Werktechniken serviert, die gut nachvollzogen werden können. Einstichlöcher der Zirkel beispielsweise sind auf den Wandmalereifragmenten gut sichtbar und eine Zeichnung des Schichtaufbaus zeigt die gestalterische Entwicklung der Architekturelemente. In der Mitte des Raumes, direkt über den Köpfen der Besucher ist eine Kopie der Deckenausstattung samt Medusenköpfen platziert. So blickt man stehend hinunter auf die historischen Fresken, hinauf an die schwebende, bunte Decke und versteht so den Zusammenhang der Einzelteile als ein großes Ganzes.

Die Ausstellung ist noch bis 8. April im KHM Wien zu bestaunen und wandert danach zurück in die Heimat Enns. Dort im Museum Lauriacum können die Kunstwerke quasi in situ besichtigt werden. Zeitreisen werden in Wien durchaus viele angeboten, doch kaum eine ist so authentisch – es lohnt sich.

Mehr über das Haus der Medusa lesen Sie auch im FOKUS-DENKMAL–Projektband.

Weitere Informationen zum archäologischen Kontext und den restauratorischen sowie konservatorischen Maßnahmen zeigt ein Video.

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