In Nordrhein-Westfalen wurde 2022 das Denkmalschutzgesetz angepasst – gegen den massiven Widerstand von Expertinnen und Experten sowie der Bevölkerung. Ein Hauptkritikpunkt war, dass nicht mehr die Denkmalschutz-Experten darüber entscheiden, ob und wie ein denkmalwürdiges Gebäude geschützt wird, sondern Angestellte der Gemeinden. Rund zwei Jahre nach dieser Entscheidung gibt uns Dr. Andrea Pufke vom LVR-Amt für Denkmalpflege eine Einschätzung.

Seit Juni 2022 gibt es in NRW ein angepasstes Denkmalschutzgesetz, was hat sich im Vergleich zum alten Gesetz von 1980 geändert?
Das neue Denkmalschutzgesetz hat zum Ziel, dass die Kommunen in Fragen des Baudenkmalschutzes weitgehend ohne die Fachämter ihre Entscheidungen treffen sollen, obwohl viele Untere Denkmalbehörden vor allem kleiner Kommunen personell und fachlich nicht dazu in der Lage sind. So verschlechtert das neue Denkmalschutzgesetz NRW die Situation für Baudenkmäler und deren Eigentümer*innen. Die fachlich hochkompetenten Denkmalfachämter der Landschaftsverbände werden an den Entscheidungen zum Umgang mit einem Denkmal nur noch reduziert, im Rahmen einer Anhörung, beteiligt. Ihre Fachexpertise hat weniger Gewicht bei Entscheidungen zur Planung und kommt auch bei der Beratung von Eigentümer*innen oft zu kurz. Fachliche Argumente für Strategien im Umgang mit den Denkmälern, die nicht selten auch helfen Kosten zu sparen, spielen demnach eine geringere Rolle. Das sind Einfallstore für politische und sachfremde Interessen.
Denkmäler sind mit dem neuen Gesetz letztlich weniger gut geschützt. Das Zurückdrängen der unabhängigen Denkmalfachämter äußert sich auch in der neu eingeführten Regelung für die Unteren Denkmalbehörden, die über eine angemessene fachliche und personelle Ausstattung verfügen: Sie können beim Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung beantragen, die Aufgaben als Denkmalfachamt übertragen zu bekommen.
Das Gesetz fördert ferner eine „Zweiklassengesellschaft“ in der Denkmalpflege, weil Bodendenkmäler bevorzugt behandelt werden. Nach dem neuen Gesetz liegt die Entscheidung über die Unterschutzstellung von Bodendenkmälern alleine bei den Fachämtern für Bodendenkmalpflege der Landschaftsverbände; diese sind zudem bei Entscheidungen über Veränderungsmaßnahmen im Rahmen der hier nach wie vor bestehenden Benehmensregelung intensiver in einen fachlichen Austausch eingebunden. Es gibt also verwirrende unterschiedliche Verfahren für Bau- und Bodendenkmäler.
Neu ist auch die Einführung von sachfremden „Belange(n) des Wohnungsbaus, des Klimas, des Einsatzes erneuerbarer Energien sowie der Barrierefreiheit“ (§ 9 Abs. 3 S. 2 DSchG NRW), die bei den Entscheidungen angemessen zu berücksichtigen sind. Ferner wurden Sonderrollen für Kirchen und andere Religionsgemeinschaften geschaffen sowie behördliche Strukturen und Verfahren verkompliziert. Ein Landesdenkmalpreis wurde in das Gesetz aufgenommen und auch weitere Regelungen für einen Landesdenkmalrat. Das Ehrenamt im Denkmalschutz ist dagegen durch die Abschaffung sachkundiger Bürger*innen geschwächt, das UNESCO-Welterbe aber in einem eigenen Paragrafen eingeführt.
Es gab Kritik an dem neuen Gesetz, was waren die drei Hauptkritikpunkte?
Das Problem schon des alten Gesetzes waren Mängel in der praktischen Umsetzung. Viele Untere Denkmalbehörden vor allem kleiner Kommunen waren auch in der Vergangenheit personell und fachlich nicht angemessen ausgestattet, um ihre Rolle als Entscheidungsbehörde adäquat ausführen zu können. Zum Teil stehen in den Städten und Gemeinden Sachbearbeiter*innen ohne spezielle Kenntnisse in der Architektur oder Denkmalpflege für die komplexen und auch fachlich anspruchsvollen Verwaltungsverfahren zur Verfügung. Manche von ihnen müssen mit lediglich einem Zehntel ihrer Arbeitszeit das große Feld der Denkmalpflege bestellen. Vor dem gleichen Problem stehen auch viele Obere Denkmalbehörden in den Kreisen, die eigentlich die Unteren Behörden beaufsichtigen müssten, dazu aber aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage sind. Vielfach gibt es allein schon größere Probleme hinsichtlich der Verwaltungsverfahren, die nicht beherrscht werden.
Auf diese Schwächen im System hatte auch die letzte Evaluation des alten Gesetzes explizit hingewiesen. Das neue Denkmalschutzgesetz hat jedoch die seit Jahren bekannten Mängel nicht behoben, sondern durch sehr komplizierte Möglichkeiten zur interkommunalen Zusammenarbeit – die bislang nicht genutzt werden – nur auf eine andere Ebene verschoben.
Kritisch sehe ich auch die Einführung sachfremder Belange. Denn ein Denkmalschutzgesetz sollte das Ziel haben, Denkmäler zu schützen und nicht z.B. das Klima. Abgesehen davon, dass Denkmalpflege per se auch einen Beitrag zum Klimaschutz leistet, wurde verkannt, dass schon nach dem alten Gesetz andere öffentliche Belange bei allen Entscheidungen immer ins Spiel kamen und abgewogen werden mussten. Durch die explizite Erwähnung im Denkmalschutzgesetz geraten diese dem Denkmalschutz sachfremden Belange nun in den Fokus und werden vielfach dahingehend fehlinterpretiert, dass sie Vorrang vor den Belangen des Denkmalschutzes haben sollten. Das schwächt den Schutz der Denkmäler. Besonders schwierig finde ich auch, dass den Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften als einer einzelnen Gruppe von Eigentümer*innen Sonderrechte eingeräumt werden. So können sie den Zutritt zu ihren Kirchen verweigern und damit die fachliche Einschätzung, ob es sich möglicherweise bei dem Gebäude um ein Denkmal handelt, verhindern. Sie haben außerdem sogar die Möglichkeit, das Ministerium direkt um Entscheidung anzurufen, wenn die Untere Denkmalbehörde eine Kirche in die Denkmalliste eintragen oder eine Erlaubnis für eine Maßnahme nicht erteilen will. Die neue Regelung führt zur Ungleichbehandlung von Denkmaleigentümer*innen.
Sind die Befürchtungen wahr geworden?
Weitgehend ja, denn die von der Landesregierung angekündigten Verbesserungen im Vollzug des Denkmalschutzes sind nicht eingetreten. Nach wie vor hat sich an der personellen Situation und der fachlichen Qualifikation in vielen Unteren (und Oberen) Denkmalbehörden nichts geändert. Das Ministerium ist bislang auch die Bewertung der fachlich und personellen Ausstattung der Unteren Denkmalbehörden schuldig geblieben, so dass viele neu eingefügte Paragrafen zur verbesserten Aufgabenwahrnehmung der Unteren Denkmalbehörden bislang nicht zur Anwendung kamen. Dem Ministerium sind die gleichbleibenden Vollzugsmängel bekannt, ohne jedoch ggf. aufsichtsbehördlich einzuschreiten, um Abhilfe zu schaffen. Im Ergebnis werden Denkmaleigentümer*innen in einzelnen Kommunen unterschiedlich gut oder z. T. auch gar nicht beraten, weil Untere Denkmalbehörden nicht tätig werden.
Die explizite Benennung sachfremder Belange im Denkmalschutzgesetz wirkt sich wie erwartet insbesondere beim Einsatz erneuerbarer Energien stark auf die Baudenkmäler aus. Der Trend, auch das historische Erbe ausnahmslos mit energetischen Maximalanforderungen zu belegen, lässt sich aber auch auf die Energiekrise infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine zurückführen. Außerdem trägt eine Verschärfung bundesgesetzlicher Regelungen wie diejenige im Energie-Einspar-Gesetz (EEG) dazu bei, dass trotz der Verankerung des Denkmalschutzes in der Landesverfassung von NRW den Belangen des Klimaschutzes und der Energieeinsparung zunehmend ein übergeordnetes Gewicht beigemessen wird.
Noch keine Erfahrungen konnten wir mit den Sonderregelungen von Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften sammeln, da diese bisher von den Kirchen nicht angewendet wurden. Wirklich enttäuschend ist, dass bislang die Einrichtung eines Landesdenkmalrates nicht erfolgt ist, den auch wir Fachämter als sinnvolles Organ herbeigesehnt haben und der, bereits im alten Gesetz verankert, schon seit 1980 auf sich warten lässt. Und selbst der Landesdenkmalpreis als so wichtiges wertschätzendes Instrument für engagierte Denkmaleigentümer*innen, Planende oder ehrenamtlich Tätige liegt auf Eis, obwohl gerade damit für das neue Gesetz neben den mittlerweile wieder gesunkenen Denkmalmitteln geworben worden ist.
NRW hat von den alten Bundesländern erst sehr spät ein Denkmalschutzgesetz erarbeitet und dann auch noch den Sonderweg von insgesamt drei Behörden gewählt: den LVR, den LWL und in der Stadt Köln ist das Römisch-Germanische Museum dafür zuständig. Warum ist das so?
Die Denkmalbehörden in NRW sind in den 396 Städten und Gemeinden verortet. Die Landschaftsverbände übernehmen die Funktionen der beratenden und gutachtenden Denkmalfachämter. Ihre historischen Wurzeln haben der Landschaftsverband Rheinland und der Landschaftsverband Westfalen-Lippe in den Provinzialständen und der Provinzialverwaltung des 19. Jahrhunderts. Ihre heutige Form erlangten sie 1953, als der Landtag NRW die Landschaftsverbandsordnung verabschiedete und damit die Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe gründete. In der Landschaftsverbandsordnung ist als eine der Aufgaben der Landschaftsverbände auch die Landschaftliche Kulturpflege beschrieben, wozu die Denkmalpflege zählt. Mit Erlass des ersten Denkmalschutzgesetzes 1980 in NRW wurden daher auch den Landschaftsverbänden die Aufgaben als Fachämter für Bau- und für Bodendenkmalpflege übertragen.
Die Stadt Köln stellt nur für den Bereich der Bodendenkmalpflege eine Ausnahme dar. Das Römisch-Germanische Museum ist zugleich Fachamt und Untere Denkmalbehörde. Mit dem preußischen Ausgrabungsgesetz von 1914 und den Ausgrabungsbestimmungen von 1920 wurde dem Kölner Museum für das Kölner Stadtgebiet die Stelle für den staatlichen Vertrauensmann für die Bodenaltertümer zugewiesen. Diese Rolle der Stadt Köln im Bereich der Bodendenkmalpflege wurde mit dem Denkmalschutzgesetz 1980 fortgeführt. Die NRW-Sonderlösungen haben also viel mit der landeseigenen Tradition zu tun.
Laut Information des damaligen Ministeriums für Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen lag der späte Zeitpunkt für das Denkmalschutzgesetz „darin begründet, dass in einem stark industrialisierten und hochverdichteten Lebensraum größere Konflikte mit dem Erhalt von Zeugnissen früherer Bau- und Siedlungsepochen verbunden sind und diese auf eine rechtlich abgesicherte Verfahrensgrundlage gestellt werden sollten.“ (Denkmalschutz und Denkmalpflege in Nordrhein-Westfalen, hg. vom Ministerium für Stadtentwicklung und Verkehr des Landes NRW, Bericht 1980–1990, 3/91, S. 7).
Schauen Sie manchmal sehnsüchtig auf Ihre Kolleg:innen in Bayern, das sich ja damit brüstet, das strengste Denkmalschutzgesetz zu haben?
Nein. Bayern hatte nie das strengste Denkmalschutzgesetz in der Bundesrepublik Deutschland, etwa weil man bestimmte Veränderungsmaßnahmen an Denkmälern nicht hätte umsetzen dürfen o. ä. Vielmehr ist es mit allen anderen Denkmalschutzgesetzen in den Ländern vergleichbar, die sich alle mehr oder weniger ähneln. Auch in Bayern sind die Unteren Denkmalschutzbehörden (dort bei den Kreisen) für die Entscheidungen im Denkmalschutz zuständig und das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege ist – wie in NRW – beratend einzubeziehen.
Das Fachamt genießt im Unterschied zu Nordrhein-Westfalen aber verbreitet ein hohes Ansehen in den Kommunen und Kreisen, so dass die Fachexpertise dort expliziter gewollt und gefragt ist und Empfehlungen auch umgesetzt werden. Aber auch die Bayerischen Kolleg*innen haben zu kämpfen. Wenn man auf das novellierte Bayerische Denkmalschutzgesetz vom 1. Juli 2023 schaut, so wurden auch hier sachfremde Belange (Einsatz erneuerbarer Energien am Baudenkmal, Windenergieanlagen in der Umgebung von besonders landschaftsprägenden Baudenkmalen und Barrierefreiheit) aufgenommen.
Was sind in Ihren Augen die größten Herausforderungen für den Denkmalschutz?
Aktuell diskutieren wir die große Herausforderung, Denkmäler an den Klimaschutz anzupassen, um mit erneuerbaren Energien oder Maßnahmen zur energetischen Optimierung auf die Klima- und Energiekrise zu reagieren. Der Denkmalpflege immanent ist auch die ständige Aufgabe, neue und zukunftsfähige Konzepte für die Nutzung von Denkmälern zu erarbeiten, um sie vor Leerstand oder gar Abriss zu bewahren. Denn Denkmäler waren und sind immer auch Gefahren ausgesetzt, von vernachlässigter Pflege oder Umwelteinflüssen bis zu fehlendem Interesse oder rein wirtschaftlichen Betrachtungen über ihren Nutzen. In Zeiten jedoch, in denen angesichts diverser z. T. lebensbedrohender Krisen die Kultur ganz allgemein als vermeintlich weniger wichtig angesehen und damit auch finanziell weniger unterstützt wird, liegt die größte Herausforderung aus meiner Sicht darin, den Mehrwert von Denkmalschutz und Denkmalpflege für die Gesellschaft, aber auch Denkmalpflege als gesamtgesellschaftliche Aufgabe aktiv im öffentlichen Bewusstsein zu halten.
Und im Gegensatz die größten Chancen?
Die größte Herausforderung ist auch die größte Chance. Denkmäler überzeugen durch ihr Aussehen und ihre Wirkung, sie prägen unsere Orte, Städte und Landschaften, sie sind Teil unserer Identität und Heimat und oft Ankerpunkte unseres Lebensumfeldes. Denkmälern kann man nicht aus dem Weg gehen, wir erleben sie jeden Tag, vielfach unbewusst, und wir fühlen uns wohl in ihrer Umgebung. Sie geben uns mit ihrer Beständigkeit Orientierung in einer Zeit von Unsicherheiten und Krisen. Und schließlich sind Denkmäler auch für aktuelle Themen wie den Klimaschutz gut gewappnet, sie sind ressourcenschonend durch ihre Reparaturfähigkeit und können uns heute Vorbild für das Bauen von morgen sein.
Es lohnt sich also, sich um Denkmäler oder um ein gutes Klima für Denkmalschutz und Denkmalpflege zu kümmern. Und jenseits der wenigen, in der Presse kritisch berichteten Fälle, in denen Denkmalpflege nicht selten als Hemmschuh für Entwicklung mit einem negativen Bild gezeichnet wird, sorgen sich vor allem die Denkmaleigentümer*innen und ehrenamtlich Engagierten mit großer Leidenschaft und Könnerschaft, mit Geld und Know-How um ihr Denkmal; ganz geräuschlos, einfach weil sie den Wert ihres Denkmals für sich und die Gesellschaft schätzen. Genau hier, bei engagierten Menschen, liegen die größten Chancen für unsere Denkmäler. Als Fachamt unterstützen wir gerne mit Rat und Tat.
Weiterlesen: Prof. Mathias Pfeil über Denkmalpflege und Restaurierungswissenschaften.