29.04.2016

Projekte

Fragile Avantgarde – Dada wird 100


In Zürich, weiß man um die Bedeutung dieser internationalen Kunstbewegung. 2012 wurde dort ein Verein ins Leben gerufen, der allein mit der Vorbereitung des Jubiläums 2016 betraut ist. „Dada wurde zur Urbewegung der Avantgarde, ohne die Surrealismus, Pop Art, Fluxus, Mail Art oder Punk nicht denkbar gewesen wären und die bis in unsere Gegenwart hinein Künstler, Autoren, Designer elektrisiert“, heißt es auf der Internetseite www.dada100zuerich2016.ch, die zuverlässig über alle geplanten Dada-Ausstellungen und Aktionen informiert.

 

„Was Dada ist, wissen nur die Dadaisten. Und die sagen es niemand.“ – Mit diesen Worten leiteten die Dadaisten ihre Gründungsstunde an einem Februarabend 1916 im Züricher Cabaret Voltaire ein. Was Dada war, ist heute, 100 Jahre später, kein Geheimnis mehr. 

 

 

Und was Dada heute ist, lässt sich ebenfalls gut sagen – zumindest aus restauratorischer Sicht: Dada-Kunst ist fragil und besonders gefährdet. Denn die künstlerischen Techniken vor 100 Jahren und der Einsatz von Materialien des täglichen Lebens haben an den Kunstwerken ihre Spuren hinterlassen.

Gefährdetes Kulturgut

„Die Dada-Künstler legten wenig Wert auf alterungsbeständige Materialien“, sagt Maria Bortfeldt, Papierrestauratorin der Berlinischen Galerie. Sie beschäftigte sich nicht nur im Vorfeld des Jubiläums mit deren Werken, denn zum Bestand der Berliner Sammlung gehören neben zehn frühen Dada-Collagen von Hannah Höch zahlreiche weitere Dada-Werke, beispielsweise von Raoul Hausmann. Das Museum besitzt sogar einen Teilnachlass Hausmanns, der Materialien vor 1933 mit einschließt. Zum Anlass des Jubiläums zeigt die Berlinische Galerie gemeinsam mit dem Museum Rietberg in Zürich die Ausstellung „Dada Afrika“ – die weltweit erste Zusammenschau von Dada-Kunst und jenen afrikanischen Werken, welche die europäischen Künstler beeinflusst haben.

 

Aufgrund des problematischen Erhaltungszustands der Dada-Werke perfektioniert die Berlinische Galerie ihr Faksimile-Verfahren. „Wir arbeiten mit Großformatkameras und Cruse Scannern. Experten messen die Farbwerte genauestens nach, sodass wir perfekte Dateien bekommen. Zum Druck benutzen wir natürlich nur archivtaugliche Papiere“, erklärt Maria Bortfeldt. Diese Arbeit ist aufwendig, doch die Faksimiles sind für Verleih und Ausstellung besonders empfindlicher Werke die einzige Chance. Zu den Dada-Jubiläumsausstellungen verleiht die Berlinische Galerie jedoch nur Originale. Minimalinvasiv restauriert wurden in den letzten Jahren bereits das Sammelalbum von Hannah Höch mit vielen fotografischen Abbildungen und ihr 900-seitiges Adressbuch.

Doch nicht jede stabilisierende Veränderung tut den Kunstwerken gut, erläutert Restauratorin Jean Rosston vom Kunsthaus Zürich: „Manchmal gilt es abzuwägen, ob eine historische Rahmung oder die ästhetisch ansprechende, originale Montage mit säurehaltigem Papier einen höheren Wert darstellt als die Verlängerung der Lebensdauer durch konservatorische Eingriffe.“

Dada und Zürich

Diese Überlegungen sind in Zürich aktueller denn je, denn auch das dortige Kunsthaus ist mit seiner Dada-Sammlung beim Jubiläum dabei – mit Restaurierungsprojekten und einer umfassenden Digitalisierung seines Dada-Besitzes. Dieser besteht aus 24 Gemälden und Skulpturen, 180 Werken in der Grafischen Sammlung und 550 Arbeiten auf Papier, darunter Briefe, Bücher, Zeitschriften, Handzettel, Postkarten. 473 Dada-Werke wurden gescannt – meist von beiden Seiten, denn auf der Rückseite finden sich unter anderem „Annotationen des Künstlers, Hinweise auf den Produktionsort, Layoutanweisungen bei Buchvorlagen, zusätzliche Zeichnungen, Anmerkungen und Verweise, Skizzen, Bezeichnungen, Stempel, alte Nummern oder Signaturen“, sagt Restauratorin Jean Rosston.

Zuvor musste jedes einzelne Werk restauratorisch begutachtet werden. Das ist ein großer Aufwand, denn „es ist die schiere Menge, ihr sehr unterschiedlicher Zustand und die Tatsache, dass sie sich bei der Behandlung als eine Büchse der Pandora entpuppen“, was die Arbeit entsprechend zeitintensiv macht. „Auf brüchige Strukturen, altersschwache Bindungen und instabile Malschichten muss besonders geachtet werden“, sagt Rosston.

Von Zürich nach New York

Am 1. Mai 2016 endet die Ausstellung „Dadaglobe. Reconstructed“ im Kunsthaus Zürich und zieht ab Juni weiter nach New York ins Museum of Modern Art. Mit der Ausstellung beschloss das Kunsthaus Zürich ein Großprojekt des Dada-Gründungsmitglieds Tristan Tzara. 1921 plante dieser ein Gemeinschaftswerk, ein mit allen Dada-Künstlern gestaltetes und geschriebenes Buch. Dazu ließ er sich Textbeiträge, Collagen, Zeichnungen, Gedichte von mehr als 30 Kollegen – unter ihnen André Breton, Max Ernst, Hannah Höch, Sophie Taeuber-Arp und Hans Arp – zukommen. Das Buch erschien nie, die künstlerischen Beiträge kamen in unterschiedlichste Sammlungen. Für „Dadaglobe. Reconstructed“ haben die Kuratoren den über die ganze Welt verstreuten Werken nachgespürt und für die Ausstellung zusammengetragen.

„Dada Afrika“: Zürich, Museum Rietberg 18. März bis 17. Juli; Berlin, Berlinische Galerie, 5. August bis 7. November.

„Dadagolobe. Reconstructed“: New York, MoMA, ab Juni 2016.

Weitere Informationen zu Aktionen und Ausstellungen finden Sie unter www.dada100zuerich2016.ch.

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