02.09.2025

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Cranach-Gemälde: Wiedervereint nach 90 Jahren

Nach 90 Jahren wiedervereint: Das Gemälde "Salomé mit der Johannesschüssel" im Herzoglichen Museum, Gotha. Foto: Boris Hajdukovic
Nach 90 Jahren wiedervereint: Das Gemälde "Salomé mit der Johannesschüssel" im Herzoglichen Museum, Gotha. Foto: Boris Hajdukovic

Kunstgeschichte, Restaurierung und Sammlungsgeschichte – drei Schlagworte, die die Rückkehr eines außergewöhnlichen Werkes in den Mittelpunkt rücken. Im Herzoglichen Museum Gotha sind nach fast 90 Jahren zwei lange getrennte Fragmente des Gemäldes „Salome mit Johannesschüssel“ (um 1530) wieder vereint worden. Das Werk aus der Werkstatt oder Nachfolge von Lucas Cranach dem Älteren zählt zu den zentralen Beständen der Gothaer Kunstsammlung und markiert zugleich ein wichtiges Kapitel in der Geschichte der Kunst des 16. Jahrhunderts.

Im Altdeutschen Saal des Herzoglichen Museums Gotha ist seit dem 1. September 2025 ein seltenes Ereignis zu sehen: Die beiden Hälften des zersägten Cranach-Gemäldes „Salome mit Johannesschüssel“ hängen erstmals seit fast einem Jahrhundert wieder gemeinsam an der Wand. Ursprünglich bildeten sie eine Einheit, bis ein Kunsthändler das Werk in den 1930er Jahren aus kommerziellen Gründen trennte. „In dem Katalog zu der Ausstellung Wieder zurück in Gotha (2021) heißt es in dem Artikel zu dem Gemälde Salome mit Johannesschüssel noch: ‚Der obere Teil des Gemäldes tauchte letztmals 2012 im Kunsthandel auf und ist seither verschollen.‘ Diesen Absatz können wir nun umschreiben! Ich bin der Kulturstiftung Gotha sehr dankbar, dass sie uns den Ankauf der Salome ermöglicht hat und wir nun dank ihr beide Gemäldeteile wieder zusammenführen können“, erklärte Dr. Tobias Pfeifer-Helke, Direktor der Friedenstein Stiftung Gotha.


Historischer Hintergrund des Gemäldes

Das Cranach-Gemälde ist seit 1644 in den Gothaer Sammlungen nachweisbar. Vermutlich kam es als Mitgift der Herzogin Elisabeth Sophie von Altenburg nach Schloss Friedenstein. Seine Bildthematik verweist auf das Motiv der „Weibermacht“: den gefährlichen Einfluss schöner und kluger Frauen auf Männer. Dieses Bildprogramm war am Hof beliebt und hatte im protestantischen Kontext des 16. Jahrhunderts zugleich eine warnende Funktion – es galt als abschreckendes Beispiel gegen Tyrannei und die „katholische Irrlehre“.
Die Stiftungssatzung der 1930er Jahre erlaubte eine Trennung von vermeintlich „schadhaften“ Werken, zumal man vor dem Krieg noch über eine umfangreiche Sammlung mit Cranach-Gemälden verfügte. So wurde das Gemälde 1936 verkauft. Der Händler ließ es zersägen, da er argumentierte, „…da ein tägliches Anschauen für fein besaitete Menschen unerträglich sein würde.“ Der obere Teil mit der Figur der Salome konnte als ernestinische Prinzessin deutlich besser vermarktet werden, während das untere Fragment mit dem abgeschlagenen Haupt des Johannes zurück nach Gotha gelangte.


Der Weg der Fragmente

Die „Johannesschüssel“ blieb also in Gotha und wurde 2015 umfassend restauriert. Sie war zuletzt 2021 in der Ausstellung „Wieder zurück in Gotha! Die verlorenen Meister“ zu sehen. Das obere Fragment hingegen verschwand nach einer Auktion bei Christie’s in London im Jahr 2012 zunächst aus dem Blickfeld der Forschung. Erst 2024 tauchte es erneut im Kunsthandel auf. Es wurde durch Prof. Dr. Gunnar Heydenreich vom Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft (CICS) an der TH Köln untersucht, der Restaurierungsbedarf am Cranach-Gemälde feststellte. Dank der Kulturstiftung Gotha konnte das fehlende Fragment schließlich erworben werden.

Dr. Tobias Pfeifer-Helke, Stiftungsdirektor und Dr. Timo Trümper, Direktor Wissenschaft und Sammlungen mit dem zurückgekehrten Oberteil der Salomé. Foto: Boris Hajdukovic

Bedeutung für Forschung und Sammlung

„Diese Rückführung ist ein außergewöhnlicher Gewinn – für Gotha und für die kunsthistorische Forschung insgesamt. Nach fast 90 Jahren ist das Gemälde ‚Salome mit dem Haupt Johannes‘ erstmals wieder in seiner ursprünglichen Form erlebbar – so, wie es vor fast 500 Jahren gedacht und geschaffen wurde. Dass das Werk zu den nur acht Gemälden von Lucas Cranach zählt, die im ersten Inventar der Gothaer Kunstkammer verzeichnet sind, unterstreicht seine besondere historische Bedeutung. Mit der Rückführung des Fragments gewinnt Gotha nicht nur ein wichtiges Stück seiner Sammlungsgeschichte zurück – auch die kunsthistorische Forschung profitiert: Neue Fragen und Erkenntnisse zur Werkstattpraxis Cranachs, zur Restaurierung und zur künftigen Präsentation der beiden Tafeln stehen nun im Raum“, betonte Dr. Timo Trümper, Direktor Wissenschaft und Sammlungen der Friedenstein Stiftung Gotha. Das wiedervereinte Cranach-Gemälde eröffnet Forschenden damit neue Perspektiven. Die genaue Zuschreibung an die Werkstatt oder Nachfolge Cranachs des Älteren bleibt Gegenstand künftiger Untersuchungen.


Geplante Restaurierung

Für 2026 ist eine umfassende Restaurierung des oberen Fragments geplant. Diese soll in Zusammenarbeit mit dem Institut für Restaurierung der Technischen Hochschule Köln erfolgen. Derzeit wird noch überlegt, ob die beiden Teile des Werks wieder miteinander verbunden werden sollen. Klar ist jedoch, dass der Schnitt auch nach einer Restaurierung und möglichen Zusammenführung immer sichtbar bleiben wird. Die Rückführung beider Fragmente stärkt nicht nur den Bestand der Gothaer Kunstkammer, sondern unterstreicht auch die Bedeutung von Kooperationen zwischen Museen, Stiftungen und wissenschaftlichen Institutionen.


Ein Meilenstein für Gotha und die Kunstgeschichte

Nach fast 90 Jahren hängt das Cranach-Gemälde „Salome mit Johannesschüssel“ wieder als Ganzes im Herzoglichen Museum Gotha. Die Rückführung ist mehr als ein Sammlungsgewinn: Sie steht für das Zusammenspiel von Forschung, Restaurierung und kulturellem Engagement. Durch die Arbeit von Experten, die Unterstützung der Kulturstiftung Gotha und die historische Bedeutung des Werkes wird das Gemälde nicht nur für Besucherinnen und Besucher zugänglich gemacht, sondern auch für die kunsthistorische Forschung in neuem Licht erlebbar. Damit schließt sich ein Kreis, der vor fast einem Jahrhundert durch ökonomische Entscheidungen aufgebrochen wurde – ein Kreis, der nun ein Stück europäischer Kunstgeschichte zurück in seine ursprüngliche Form gebracht hat.

 

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