27.09.2016

Projekte

Conservation Angels: Restauratoren und Präparatoren Hand in Hand


RESTAURO: Die erste Aktion der Schweizer „Conservation Angels“ fand im Naturalienkabinett des Klosters Einsiedeln statt. Wie kam es dazu?

 

Das Kloster Einsiedeln beherbergt einen ganz besonderen Schatz: Ein wertvolles Naturalienkabinett, das älteste noch erhaltene in der Schweiz. Die ganze Pracht der göttlichen Schöpfung sollte darin ausgestellt werden. Johann Wolfgang von Goethe hat das Ende des 17., Anfang des 18. Jahrhunderts errichtete Kabinett sogar zweimal besichtigt. Plünderungen während der französischen Revolution dezimierten den Bestand empfindlich. Als Folge musste die Sammlung mit neuen Präparaten wieder aufgestockt werden. Die heute erhaltenen Objekte, Vitrinen und Schränke sind gut 100 Jahre alt. Doch eine umfassende Konservierung der Bestände hat bisher nicht stattgefunden.

Diese haben sich nun die „Conservation Angels“ zur Aufgabe gemacht und in einer freiwilligen Aktion eine Woche lang eine Musterachse im Kabinett restauriert. Damit soll auf den kritischen Zustand dieser einmaligen Anlage hingewiesen und zu Spenden für weitere Arbeiten animiert werden. Die gemeinsame Aktion wurde organisiert vom Schweizerischen Verband für Konservierung und Restaurierung (SKR) und dem Verband Naturwissenschaftlicher Präparatorinnen und Präparatoren der Schweiz (VNPS). Über die Organisation und das Ergebnis des Einsatzes sprach RESTAURO mit Natalie Ellwanger, Restauratorin am Schweizerischen Nationalmuseum, und Martin Troxler, Präparator am Naturhistorischen Museum der Burgergemeinde Bern.

 

Martin Troxler: Das Naturalienkabinett des Klosters Einsiedeln ist ein einmaliger Ort. Es war uns ein Anliegen, mit unserer Aktion auf diese Einmaligkeit hinzuweisen und den historischen Wert des Objekts innerhalb und außerhalb des Klosters zu verdeutlichen. Wir Präparatoren haben schon vor zwei Jahren eine Tagung hier durchgeführt, das heißt, ein großer Teil der Schweizer Präparatoren kannte das Objekt.

33 Freiwillige waren an der Aktion beteiligt. Wie haben Sie die Teilnehmer koordiniert?

Troxler: Auf Grundlage der Fachtagung vor zwei Jahren war es einfach, meine Berufskollegen zu motivieren. Die Koordination hat sich glücklich gefügt, denn wir haben schon vorher einen groben Arbeitsplan kommuniziert und daraufhin Rückmeldungen erhalten. Auch vor Ort war es unproblematisch, denn alle waren freiwillig da und sehr motiviert. Die meisten konnten wir dort einsetzen, wo sie wollten.

Ein Problem bei historischen Präparaten ist häufig die Belastung mit Arsen. Welche Untersuchungen haben Sie im Vorfeld ihrer Aktion durchgeführt und wie konnten Sie die Teilnehmer schützen?

Troxler: Wir haben Biozidmessungen an den Objekten mithilfe eines mobilen FTIR-Geräts vorgenommen. Die hohen Arsenwerte, die wir messen konnten, waren für uns Tierpräparatoren keine neue Erkenntnis. Wir haben auch im Raum und in den Vitrinen Schadstoffmessungen vorgenommen. Diese Messungen ergaben jedoch keine signifikanten Belastungen. Deshalb konnten wir unseren Leuten den Aufenthalt und die Arbeit im Kabinett bedenkenlos zumuten. Beim Ausräumen der Präparate aus den Vitrinen haben wir uns mit Ganzkörperoveralls, Nitrilhandschuhen und FFP3-Atemschutzmasken gut geschützt. Die Entstaubung der Objekte erfolgte mit Spezialstaubsaugern. Nachdem diese Arbeiten erledigt waren, konnten wir die Schutzmaßnahmen auf ein übliches Maß zurückfahren.

Konnte das Arsen aus den Präparaten komplett entfernt werden?

Troxler: Nein, denn oft ist das Arsen sogar auf die Hautinnenseite aufgetragen worden. Das kann man nicht entfernen. Aber es gab auch Präparationstechniken, bei denen das Gift zum Beispiel unter die Federn gestreut wurde. Hier ist eine Reduzierung mit einem Gefahrengut-Staubsauger ab einer Filterklasse H16 gut möglich. Es hat uns sehr beruhigt, dass in der Raumluft kein Arsen nachgewiesen werden konnte.

Ellwanger: Durch das Absaugen aller Oberflächen konnten bei Objekten, die ursprünglich nicht mit Arsen oder einem anderen Biozid behandelt wurden, auch die querkontaminierten Stäube entfernt werden. Das heißt, die Gefahr der Aufwirbelung von Bioziden bei der anschließenden Bearbeitung war gebannt und der Aufenthalt im Raum war kein Problem mehr.

Was konnten Sie als Restauratoren bzw. Präparatoren vom jeweils anderen Beruf voneinander lernen?

Troxler: Wir haben in gemeinsamen Workshops wechselseitig Techniken vermitteln und Arbeitshinweise geben können. Für uns Präparatoren war zum Beispiel der restauratorische Umgang mit Farben bei Fehlstellen auf Hautflächen, Schnäbeln und Füßen wichtig. Denn wir Tierpräparatoren malen relativ unbedarft ganze Bereiche mit dem Pinsel nach, wohingegen die Restauratoren nur retuschieren. Diese Woche war für mich die potenteste Weiterbildung seit Jahren.

Ellwanger: Das Feld der Präparierung war mir persönlich vollkommen unbekannt. Es war hochspannend, den Kollegen über die Schulter schauen zu können. Während der Arbeit gab es immer wieder ethische Diskussionen. Zum Beispiel darüber, ob die durchgeführten Maßnahmen noch als Restaurierungen zu bezeichnen sind oder ob es über dies bei weitem hinaus führt und wir als Konservatoren-Restauratoren schon eher von Renovierung sprechen würden. Da haben Präparatoren ein anderes Begriffsverständnis von Restaurierung. Bei einigen Materialien, die von Präparatoren selbstverständlich genutzt werden, sind wir Restauratoren eher skeptisch. Ein Beispiel sind handelsübliche Anti-Staubtücher, von denen man beim Berühren den Eindruck hat, dass sie einen öligen Rückstand hinterlassen. Ich möchte deshalb ein solches Tuch bei uns in den Labors des Sammlungszentrums einmal analysieren lassen und werde selbstverständlich ein Feedback an die Präparatoren weitergeben.

Das Spendenaufkommen war mit über 20.000 Schweizer Franken zwar sehr hoch, aber das reichte natürlich nicht, um das ganze Kabinett zu konservieren. Wie soll es jetzt weitergehen?

Ellwanger: Unser Einsatz hier ist quasi ein Kick-Off-Event gewesen, der Hilfe zur Selbsthilfe ins Rollen bringt. Wir wünschen uns, dass das Kloster den Wert des Kabinetts erkannt hat und jetzt selbst die Initiative ergreift, um das Projekt weiter voranzutreiben. Das Ergebnis unserer Arbeit ist eine perfekte Musterachse.

Troxler: Wir haben hier zwar gratis gearbeitet, aber es ist natürlich nicht im Sinn der Berufsverbände, dass unsere Mitglieder ohne Entlohnung arbeiten. Auch deshalb kann man unsere Aktion nur als Initialzündung verstehen. Aber das Medienecho war enorm, das wird dem Kloster helfen, Sponsoren für weitere Arbeiten anzusprechen. Wir haben auch vor, neben den Materialkosten auch unsere tatsächliche Arbeitsleistung darzulegen. Mit einer solchen Übersicht kann der tatsächliche Restaufwand beziffert werden. Damit kann man dann ganz gezielt auf Sponsorensuche gehen.

Wann und wo wird es das nächste „Conservation Angels“ Projekt geben?

Troxler: Eine gemeinsame Wiederholung ist sicher wünschenswert, die fachlichen Potentiale sind auf beiden Seiten sehr spannend. Aber auch der Aufwand, das „Conservation Angels“-Projekt zu organisieren, war sehr groß. Deshalb wird es sicherlich ein paar Jahre dauern.

Ellwanger: Es soll sicher keine einmalige Aktion bleiben, aber es könnte schwierig werden, noch einmal so ein geeignetes Objekt zu finden, bei dem sich beide Berufsgruppen inhaltlich treffen. So viele Naturalienkabinette gibt es leider nicht.

 

Mehr zur Jubiläumstagung von SKR und VNPS im September 2016 lesen Sie hier. 

Vorheriger Artikel

Nächster Artikel

das könnte Ihnen auch gefallen

Scroll to Top