21.02.2017

Kunststück

Barocke Schlittenpracht im Marstallmuseum

 

Nach drei Jahren Planungs- und Restaurierungsarbeit öffnet der komplett neu gestaltete Raum im Marstallmuseum im Schloss Nymphenburg seine Türen und präsentiert die restaurierten barocken Rennschlitten.

Schellengeläut begrüßt den Besucher, wenn er den schmalen Raum betritt und die prächtigen Barockschlitten der Wittelsbacher nebeneinander gereiht vor sich sieht. Nicht nur die Schlitten sind frisch restauriert, auch der Ausstellungsraum selbst erscheint in völlig neuem Licht. Die beleuchteten Acrylglasflächen, auf denen die Schlitten stehen, erinnern an Eis und Schnee und lassen von unten herauf die Farben der Schlitten erstrahlen. Die neue LED-Beleuchtung mit Strahlern und Spots vervollständigen die Inszenierung. Ergänzt wird die Szenerie durch eine kostbar bestickte Schellendecke aus rotem Seidensamt, die auf einem eigens dafür geschaffenen Modellpferd platziert ist.

Die barocken Schlitten der Wittelsbacher in neuer Präsentation. Foto: RESTAURO
Für die mit Goldfaden kostbar bestickte Decke aus rotem Seidensamt fertigte ein Theater-Bildhauer eigens ein Modellpferd. Foto: RESTAURO
Das prunkvolle Ensemble ist mit über 400 vergoldeten Glöckchen bestückt. Foto: RESTAURO
Der neue Ausstellungsraum wurde mit mehreren großen Spiegeln versehen, um eine erweiterte Sichtperspektive in die Innenausstattung der Schlitten zu bieten. Foto: RESTAURO
Im Vordergrund: Rennschlitten mit der Göttin der Jagd Diana. Im Hintergrund: Herkules und die siebenköpfige Hydra und der Amor-Schlitten. Foto: RESTAURO
Kurfürst Karl Albrecht gab diesen Schlitten um 1740 in der Werkstatt des berühmten Münchner Rokoko-Bildhauers Johann Baptist Straub in Auftrag. Foto: RESTAURO

Skulptur und Gebrauchsgegenstand

50.000 Euro kosteten die Restaurierungsmaßnahmen der Schlitten. Weitere 50.000 flossen in die Neugestaltung des Museumsraums. Beteiligt waren unter anderem Holz- und Möbelrestaurator Dr. Heinrich Piening und Textilrestauratorin Klaudia Ponz von der Bayerischen Schlösserverwaltung. Einerseits waren die Schlitten Gebrauchsgegenstände und aus Materialien, die robust konstruiert und wasserunempfindlich sein mussten, andererseits galten sie als repräsentative Objekte, die hauptsächlich dem Adel vorbehalten waren. Dies stellte die Restauratoren vor eine technologische Herausforderung. „Alle Materialien wurden darauf abgestimmt, dass eine Skulptur auf einem Rennfahrzeug, das im Schnee und im Regen ist, mehr als eine Fahrt halten muss“, sagt Piening.

Bereits im 16. Jahrhundert gab es am Münchner Hof vergoldete und kostbar ausgestattete Figurenschlitten. Die „Rennschlitten“, wie sie im Marstall-Inventar aus dem Jahr 1600 bezeichnet werden, bildeten in der Barockzeit einen Höhepunkt der europäischen Schlittenkultur.

Namenhafte Bildhauer wie Johann Baptist Straub und Andreas Faistenberger schufen die Schlitten in ihren Werkstätten und akzentuierten sie mit Figuren, die aus den Schlitten vollständige Skulpturen werden ließen. So thront auf einem Objekt die Jagdgöttin Diana, ein anderes zeigt Herkules im Kampf mit der siebenköpfigen Hydra. Dabei ist der Schlittenkasten als Drachenleib gestaltet, dessen restaurierte Lüsterfassung vielfarbig schillert. Der Schlitten mit Amor spielt auf die erotische Komponente der höfischen Schlittenfahrt an. Im barocken Rennschlitten saß die Dame stets vorne, während der Kavalier hinter ihr halb stehend, halb auf der Pritsche sitzend die Zügel führte. Beiden kamen sich dabei sehr nah.

Marstallmuseum in Schloss Nymphenburg

Mit über 40 repräsentativen Kutschen und Schlitten aus Wittelsbacher Besitz dokumentiert das Mastallmuseum in Schloss Nymphenburg 300 Jahre fürstlichen Wagenbaukunst. Bis zum Zweiten Weltkrieg war es in der großen Reithalle (heute Marstalltheater) am Marstallplatz nahe der Münchner Residenz untergebracht. 1952 wurde das Marstallmuseum in den ehemaligen Stallungen des Nymphenburger Schlosses eingerichtet. Es zählt zu den bedeutendsten seiner Art weltweit.

Zu den Wittelsbacher Staats- und Galawägen erschien 2002 eine Publikation im Arnoldsche Verlag. Eine überarbeitete Neuauflage ist in Planung. Rudolf H. Wackernagel: Staats- und Galawagen der Wittelsbacher. Stuttgart 2002. 

Vorheriger Artikel

Nächster Artikel

das könnte Ihnen auch gefallen

Scroll to Top