04.07.2024

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Auflösung der Beratenden Kommission

Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Foto: J. Konrad Schmidt
Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Foto: J. Konrad Schmidt

Die Beratende Kommission, die bei Konflikten um die Rückgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kunstwerken vermitteln soll, steht seit einiger Zeit in der Kritik. Jetzt soll sie aufgelöst werden, das wurde ihren Mitgliedern bei einer Sitzung im Kanzleramt Ende Mai mitgeteilt. Ersetzt werden soll sie von einer Schiedsgerichtsbarkeit.

Die „Beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz“ auch bekannt als Limbach Kommission, wurde 2003 ins Leben gerufen. Sie sollte bei Konflikten zwischen den Erbinnen und Erben jüdischer Sammlerinnen und Sammler und deutschen Museen bezüglich der Rückgabe von NS-verfolgungsbedingtem Raubgut vermitteln und zu „fairen und gerechten Lösungen“ im Sinne der Washingtoner Erklärung von 1998 beitragen. Angerufen wurde sie in den rund 20 Jahren ihres Bestehens 24 Mal um ihre Empfehlungen, die nicht rechtsbindend sind, abzugeben. Dass die Kommission so selten angerufen wurde, mag auch daran liegen, dass sie nur in beiderseitigem Verständnis angerufen werden kann. Diese Tatsache führte auch häufig zum Unmut der Erbinnen und Erben. Allseits bekannt sein, dürfte der Fall des Gemäldes „Madame Soler“, welches Pablo Picasso 1903 malte. Das Gemälde befindet sich im Besitz der Bayerische Staatsgemäldesammlung und das Land Bayern weigert sich im Streit mit den Nachfahren nach der Bankiersfamilie Mendelssohn, die Beratende Kommission hinzuziehen. Dieser Fall zeigt, wie es nicht laufen sollte und wurde auch bei einer internationalen Konferenz in Washington und bei einer Anhörung des Kulturausschusses des Bundestags stark kritisiert.
Dennoch sollte man nicht außer Acht lassen, dass viele Museen und Erbinnen und Erben sich ohne Zutun der Beratenden Kommission einigen konnten und viele Restitutionen geräuschlos im Sinne einer „fairen und gerechten Lösung“ ablaufen. Weitere Kritikpunkte an der Arbeit der Kommission waren, dass sie zu langsam arbeite und die Entscheidungen nicht transparent seien. Die Kommission nahm dies 2016 zum Anlass ihre Verfahrensordnung neu zu gestalten. Bereits im März dieses Jahres wurde beim 20. Kulturpolitischen Spitzengesprächs der Beschluss gefasst, die Kommission aufzulösen. Claudia Roth hat die Mitglieder der Kommission Ende Mai zu einem Gespräch in das Bundeskanzleramt geladen, um ihnen mitzuteilen, dass die Auflösung nun vollzogen wird. Ursprünglich hatten die Koalitionsparteien FDP, Grünen und SPD im Koalitionsvertrag 2021 noch eine Reform des Gremiums vereinbart. Wie es nach dem Ende der Beratenden Kommission weitergehen soll, soll bis Anfang Oktober in einem entsprechenden Konzept erarbeitet werden und von Bund, Ländern und Kommunen schnellstmöglich beschlossen werden.

Claudia Roth lud die Mitglieder der Beratenden Kommission anlässlich der Auflösung in das Bundeskanzleramt. Foto: Tischbeinahe via Wikimedia Commons
Claudia Roth lud die Mitglieder der Beratenden Kommission anlässlich der Auflösung in das Bundeskanzleramt. Foto: Tischbeinahe via Wikimedia Commons

Geteilte Meinungen zu einem Restitutionsgesetz

Wie Medien berichten, haben sich eine der geladenen Kommissionsmitglieder in dem Gespräch mit Roth an eine Farce erinnert gefühlt. Man habe noch Einwände gegen das Ende der Beratenden Kommission vorbringen dürfen und wurde zudem auch noch gebeten mit seiner Arbeit weiterzumachen. Doch vom Beschluss der Auflösung wurde nicht abgerückt. Die ursprünglich geplante Stärkung der Beratenden Kommission, die Grüne, FDP und SPD vereinbart hatten, fällt also aus. Und das, obwohl Kulturstaatsministerin Claudia Roth laut Medienberichten kundtat, dass man vermeiden wolle, dass Nachfahren von den durch die Nationalsozialisten beraubten Menschen als Bittsteller auftreten müssten. Man plante, dass die Kommission im Stande sein sollte, eigenständig Verfahren anzuschieben um Fälle wie in Bayern mit dem Picasso-Gemälde „Madame Soler“ zu vermeiden. Statt diesen Reformschritt zu gehen, entschieden bereits im März Claudia Roth, Vertreter der Länder und kommunaler Spitzenverbände, an die Stelle der Kommission „eine Schiedsgerichtbarkeit zu setzen“. Hans-Jürgen Papier, der seit 2017 der Beratenden Kommission vorsitzt, mahnt schon seit längerem, dass Deutschland seiner Verpflichtung zum Washingtoner Abkommen nicht ausreichend nachkomme. Dies läge auch daran, dass die Kommission in ihrer jetzigen Form zu schwach sei. Eine Abschaffung des Gremiums war aber sicher nicht in seinem Sinne. Zumal er laut Medienberichten zu denken gibt, dass Schiedsgerichte ohne doppelte Zustimmung kaum denkbar seien und man somit ein Versprechen nach einseitiger Anrufung nicht einlösen könne. Als ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts weiß er, wovon er spricht. Weiter gab er, laut Medienberichten zu denken, dass ein solche Institution noch aufgebaut werden müsse. Dafür werde man sowohl personelle als auch finanzielle Ressourcen bereitstellen müssen. Solange dies nicht geschehen sei, müssten Verfahren ruhen. Er vertrat die Ansicht, dass die Kommission von einer Beraterin in eine Entscheiderin umgewandelt werden sollte, wie der Deutschlandfunk in Erfahrung brachte. Einmal mehr werden nun auch wieder Forderungen nach einem Restitutionsgesetz unter anderem durch Vertreter der Jewish Claims Conference laut, wie in der Jüdischen Allgemeinen zu lesen war. Auch der bayerische Kulturstaatminister Markus Blume plädiert für ein solches Gesetz und hat dazu eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht. Bei einer Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien im März gab es jedoch ein geteiltes Echo auf ein solches Gesetz. Bedenken ist dabei jedoch, dass man damals noch auf der Grundlage arbeitet, dass die Beratende Kommission reformiert werden sollte. Der Beschluss die Kommission aufzulösen, folgte dann durchaus überraschend zwei Tage nach der Anhörung im Ausschuss. Es bleibt nun abzuwarten, wie die Bundesregierung künftig Restitutionen von NS-verfolgungsbedingten entzogenen Kunst- und Kulturgütern regeln will. Alle Beteiligten sind sich jedoch einig, dass es gerade in Deutschland einer Regelung bedarf, zumal man sich den Washingtoner Prinzipien verpflichtet hat.

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