28.02.2025

Welterbe

Auf den Spuren der „Wikinger“

Vom Danewerk, einem imposanten Verteidigungswall, wurden bis heute nur 3 % Fläche und von der historischen Stadt Haithabu nur 5 % Fläche ausgegraben. © Archäologisches Landesamt Schleswig-Holstein - Tom Körber

Heute ist von Haithabu, die von Ibrahim ibn Ahmed At-Tartûschi, ein arabischer Chronist, Kaufmann und Weltreisender, als „große Stadt am äußersten Ende des Weltmeeres“ beschrieb, nur noch wenig zu sehen. Zwischen dem 8. und 11. Jahrhundert sah das jedoch ganz anders aus, Haithabu war ein Handelszentrum mit großem Hafen und wurde vom Danewerk, einem komplexen Grenzbefestigungssystem, geschützt. Seit 2018 ist der „Archäologische Grenzkomplex Haithabu und Danewerk“ UNESCO-Welterbe.


Handelszentrum der Wikingerzeit

Im Jahr 1900 und damit fast 800 Jahre nach seinem Untergang wurde einer der bedeutendsten Handelsplätze der Menschen der Wikingerzeit wiederentdeckt. Haithabu oder auch Hedeby, wie es die dänische als auch internationale Fachwelt nennt, war, geschützt vom mächtigen Danewerk, vom 9. bis ins 11. Jahrhundert das wichtigste Fernhandelszentrum Nordeuropas. Güter aus Spanien, Italien, dem Ostfränkischen Reich aber auch aus verschiedensten Orten des heutigen Deutschlands sowie aus Polen, Norwegen, dem Kaukasus und sogar China wurden hier gehandelt und umgeschlagen, das belegen archäologische Funde. Die Handelsverbindungen nach Westen und die Importe von dort waren nicht so bedeutend, wie die Handelsbeziehungen nach Osten. Es wurde vereinzelt Blei aus England eingeführt, und aus dem Ostfränkischen Reich kamen Handwerksprodukte, aus der Eifel Basaltmühlsteine. Eine weitere „Einnahmequelle“ waren für die Wikinger ihre Raubzüge, die sie vor allem auf die britischen Inseln führten, wo sie reiche Klöster überfielen. Die Handelsbeziehungen in den Osten hingegen waren bedeutend wichtiger und erstreckten sich über die slawischen Länder, das Byzantinische Reich bis nach China und Indien. Die Fahrten in den Osten stellten jedoch auch immer ein mehrjähriges Unterfangen dar. Die Händler kauften auf dem Weg in Richtung Osten in erster Linie Sklaven und Pelze ein, die sie dann auf orientalischen Märkten verkauften. Von dem Erlös erwarben sie Seide, Gewürze, Schmuck, Parfüm, Metall, Glasarbeiten und Edelsteine. Auch mit ihren nördlichen Nachbarn Schweden und Norwegen handelten sie und bezogen von dort Rohstoffe und Walrosselfenbein, Pelz, Roheisen und Gesteine wie Schiefer.


Schutzwall und Machtzentrum

Geschützt vom Danewerk, einer Befestigungsanlage von mehr als 30 Kilometer, konnten die Wikinger hier Handel treiben, aber auch hochspezialisierte Handwerker ließen sich hier nieder. Über die Jahrhunderte hinweg wurde das ausgeklügelte Befestigungssystem, das über die schmalste Stelle der jütländischen Halbinsel verläuft, immer weiter ausgebaut. Rund 750 Jahre diente das Danewerk als Verteidigungsanlage, auch wenn die Stadt Haithabu zwischenzeitlich an Bedeutung verlor, bis sie schließlich aufgegeben wurde. Das Danewerk hingegen sollte auch noch im 20. Jahrhundert als Verteidigungswall dienen. Wälle, Gräben, Palisaden und Mauern ermöglichten es den Wikingern, die Engstelle zu überwachen. Begonnen hatte es zunächst mit einem etwa zwei Meter hohen Erdwall, der wahrscheinlich im 4./5. Jahrhundert errichtet wurde. Um 500 n. Chr. begannen die Arbeiten am zweiten Wallabschnitt, dem sogenannten Sodenwall. Wer die Erbauer dieses frühen Wallabschnitts waren, lässt sich nicht sagen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Errichtung mit innergermanischen Konflikten in Südskandinavien, die während der Völkerwanderungszeit stattfanden, in Verbindung steht. Es folgte eine Phase der Inaktivität und des Verfalls. Im 8. Jahrhundert wurde die Befestigungsanlage in kurzer Folge mehrfach ausgebaut, und auch eine erste kleine Siedlung entstand um 750 auf der Kuppe des Haddevyer Noors. Die Maßnahmen waren sehr umfangreich und umfassten zunächst Palisaden, die als Front vor die Erdwälle gesetzt wurden. Zugleich wurde die Verteidigungslinie nach Osten hin verlängert, dabei wurde unter anderem eine Seesperre errichtet, sodass die Befestigungen bis in die Schlei hineinragten. Ebenfalls in diese Phase fällt die Errichtung des Nord-, Krumm- und Osterwalls. Unklar ist jedoch, wer für diesen Ausbau verantwortlich war. Landseitig wurde die Palisade nach wenigen Jahrzehnten durch eine massive Feldsteinmauer ersetzt. Die fränkischen Reichsannalen berichten erstmals 804 von Haithabu. Zudem ist ihnen zu entnehmen, dass der dänische König Göttrik 808 den prestigeträchtigen Bau der Feldsteinmauer vorantrieb, auch wird von der Übersiedelung von Handelsleuten aus Reric/Groß Strömkendorf an der Wismarer Bucht im selben Jahr berichtet. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler halten Göttrik als Erbauer daher für wahrscheinlich. In Folge entwickelt sich Haithabu von einem saisonal genutzten Handelsposten zu einem dauerhaft besiedelten Handelszentrum, das einen großen Hafen besitzt. Ein Halbkreiswall, der in der Mitte des 10. Jahrhunderts errichtet wird, dient Haithabu als Stadtbefestigung. Um das Jahr 970 wird ein Verbindungswall angelegt, der die Stadt an das Danewerk anschließt. Diese Maßnahmen fallen in die Regierungszeit des dänischen Königs Harald Blauzahn (um 910–985/986), der in dieser Zeit ein reichsweites Verteidigungskonzept entwickelt. Für diese Zeit gibt es in Schriftquellen auch Berichte über Kampfhandlungen, die am Danewerk stattfinden. Grund für die Auseinandersetzungen sind Konflikte zwischen König Harald Blauzahn und dem deutsch-römischen Kaiser Otto II. (955–983). Es gelang Otto II. sogar für kurze Zeit, die Stadt Haithabu für sich zu gewinnen, bevor es der dänische König zurückeroberte. Haithabu hatte die ideale Lage, lag es doch an der Schnittstelle zwischen Skandinavien und dem Kontinent und hatte Sachsen, Franken, Friesen und slawische Obodriten als Nachbarn. Die Blütephase der Stadt hielt jedoch lediglich gut 200 Jahre bis 1050 an, dann wurde die Stadt vom norwegischen König Harald Hardråde im Zuge von Thronstreitigkeiten mit dem dänischen König Sven Estridsen überfallen. Kurz darauf, im Jahr 1066, erfolgte ein Angriff durch den obodritischen Fürsten Blusso. Diese Ereignisse hatten zur Folge, dass die Stadt aufgegeben wurde und Schleswig an ihre Stelle trat.


Ausbau zur Panzersperre durch Nationalsozialisten

Die Aufgabe der Stadt Haithabu bedeutete nicht das Ende des Danewerks, vielmehr erfuhr es noch Ausbauarbeiten. Auf einer Länge von mehr als 30 Kilometern entstand über die Jahrhunderte hinweg eine Verteidigungsanlage, die von verschieden Herrschern genutzt wurde. Von den ersten Arbeiten im 4. und 5. Jahrhundert, über den Ausbau und die Befestigung im 8. Jahrhundert und dann nochmals im 10. Jahrhundert reicht seine Geschichte bis ins 20. Jahrhundert. Nach dem Ende der Wikingerzeit wurde das Danewerk nicht aufgegeben, vielmehr wurde es im späten 12. Jahrhundert durch König Waldemar I. dem Großen (1131–1182) weiter ausgebaut. Er ließ eine Ziegelmauer errichten, die ursprünglich fünf Meter hoch, zwei Meter breit und etwa vier Kilometer lang war. Üblicherweise wurden Ziegel nur für den Bau von Kirchen verwendet, denn der Baustoff war kostbar und teuer. Das Fundament bestand aus Feldsteinen und wies eine Höge von anderthalb Metern auf. Während die Vorder- und Rückseiten sauber gemauert waren, hatten die Erbauer beim Inneren nicht so viel Sorgfalt walten lassen. Um den Nachschub an den benötigten Ziegelsteinen zu garantieren, wurden Öfen errichtet, um die Ziegel vor Ort zu brennen. Darauf lassen archäologische Funde schließen. Die Mauer stellte für die Region ein Novum dar, ähnlich der Feldsteinmauer, die etwa 400 Jahre zuvor errichtet worden war. Ausgrabungen zwischen 2010 und 2014 belegten, dass am Danewerk-Tor größere Baumaßnahmen stattfanden. Man datiert sie auf etwa 1200 und deutet sie als Absicht für eine zukünftige Nutzung. Die Schlacht von Bornhöved 1227 machte dies zunichte. Der dänische König Waldemar II. (1170–1241) verlor gegen Graf Adolf IV. von Holstein (vor 1205–1261) und somit auch seine Hegemonialherrschaft im Norden. Das Danewerk verlor an Bedeutung. Zu dem Bedeutungsverlust trug außerdem die Eheschließung zwischen Abel, Sohn Waldemars II., mit Mechthild, Tochter von Adolf IV., bei. Jahrhunderte später wurde das Danewerk reaktiviert. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entdeckten die Dänen das Danewerk wieder und entwickelten es zum Sinnbild einer dänischen Nation. Im Zug des Schleswig-Holsteinischen Krieges von 1848–1851 und noch viel mehr während des Deutsch-Dänischen Krieges 1864 diente das Danewerk der dänischen Seite als Grenzbefestigung, die gleichzeitig eine nationalsymbolische Aufladung erfuhr. Im Februar 1864 gaben die Dänen das Danewerk kampflos auf und verloren die Herzogtümer Schleswig und Holstein. Gleichzeitig wurde das Danewerk im dänischen Bewusstsein zum Mythos. Ein letztes Mal wurde das Danewerk im 20. Jahrhundert militärisch ausgebaut. Die Nationalsozialisten, die im naheliegenden Haithabu Ausgrabungen durchführten, errichteten am Danewerk eine nach Norden ausgerichtete Panzersperre.

Im Sommer 2017 fanden Grabungen an einem Gräberfeld statt. Bereits 1939 wurde an dieser Stelle gegraben, dabei wurden Grabbeigaben gefunden. Auch bei der erneuten Grabung wurden Grabbeigaben sowie Knochen gefunden. © Siegbert Brey via Wikimedia Commons

Gefahr durch Teredo navalis

Haithabu und das Danewerk erfüllen laut UNESCO zwei Kriterien. Zum einen sei es „ein einzigartiges oder zumindest außergewöhnliches Zeugnis einer kulturellen Tradition oder einer bestehenden oder untergegangen Kultur“ (Kriterium iii), und zum anderen stelle es „ein hervorragendes Beispiel eines Typus von Gebäuden, architektonischen oder technologischen Ensembles oder Landschaften, die einen oder mehrere bedeutsame Abschnitte der Geschichte der Menschheit versinnbildlichen“ (Kriterium iv) dar.
Eine Besonderheit des UNESCO-Welterbes Haithabu-Danewerk ist sicherlich, dass es als archäologische Fundstätte nur zu einem geringen Teil oberirdisch sichtbar ist. Die ehemalige Stadt Haithabu ist zu etwa fünf Prozent und das Danewerk zu drei Prozent ausgegraben. Archäologische Grabungen finden auch nur bei konkreten Forschungsfragen statt und sind momentan nicht in Planung. Das stellt die Vermittlung natürlich vor besondere Herausforderungen. Um den Besuchenden Haithabu und das Danewerk nahe zu bringen, ist ein Museumsneubau geplant, der voraussichtlich 2026 eröffnet wird. Neben dem Museum besteht bereits der Archäologische Park Danewerk in der Gemeinde Dannewerk. Auch hier soll eine Neugestaltung, die einen neuen Besucherrundgang mit einer Besucherplattform über der Waldemarsmauer vorsieht, erfolgen. Neben klassischen Infotafeln gibt es auch sogenannte Fenster in die Vergangenheit. Die Besuchenden haben dort die Möglichkeit, durch bedruckte Glasscheiben Rekonstruktionen besonderer archäologischer Orte zu entdecken.


Herausforderungen beim Erhalt

Neben der Vermittlung stellt der Erhalt auch eine Herausforderung dar. Es handelt sich um ein Flächendenkmal, das sich über mehr als 30 Kilometer in die Landschaft erstreckt und sich dabei sowohl in privater als auch öffentlicher Hand befindet. Weite Teile sind zudem öffentlich zugänglich und erfahren sowohl eine touristische als auch eine intensive und extensive landwirtschaftliche Nutzung. Es kommen somit viele Einflussfaktoren wie Besuchende, Baumaßnahmen, Infrastruktur, natürliche Sukzession, Landwirtschaft und Wetter sowie Klima zusammen. Birte Anspach vom archäologischen Landesamt Schleswig-Holstein teilte mit, dass die wichtigen Aufgaben und Herausforderungen darin bestünden, zum einen die langfristige Flächensicherung zu gewährleisten und zum anderen ein fortlaufendes Monitoring aufrechtzuerhalten. Zur langfristigen Flächensicherung würde eine laufende Flurbereinigung im westlichen Denkmalbereich, insbesondere am Krummwall, durchgeführt. Im Zuge des Monitorings, das Veränderungen an der Welterbestätte beobachtet und überwacht, resultieren dann auch die denkmalpflegerischen Maßnahmen. Zu den Maßnahmen der Denkmalpflege gehöre die Beseitigung von Schäden, aber auch die Ertüchtigung und Instandsetzung der Besucherinfrastruktur, Verkehrssicherungsmaßnahmen und landschaftspflegerische Maßnahmen. Eine Besonderheit Haithabus und des Danewerks sei, so Anspach weiter, dass sowohl oberirdische Spuren als auch unterirdische Befunde vorlägen. Vieles, wie Holzkonstruktionen, Steinformationen oder auch Funde von Schmuck, Werkzeug und vielem mehr, sind zudem im Feuchtboden besonders geschützt. Von Vorteil sei in diesem Zusammenhang auch, dass das umgebende Land ein Landschaftsschutzgebiet sei. Die Anforderungen des Denkmal- und Landschaftsschutzes seien weitgehend kongruent, und man arbeite an vielen Stellen zusammen, so auch in der Vermittlung.


„WIKINGER“ – Eine Begriffserklärung

Der Begriff „Wikinger“ bezeichnet entgegen der landläufigen Auffassung kein Volk, sondern eine Personengruppe Nordeuropas. Das Wort „Wikinger“ leitet sich von dem Begriff „Wiking“ ab. Dieser Begriff bezieht sich auf Handel, Raubzüge und Krieg, die fernab der Heimat stattfinden, und ist auch in Runensteinen und anderen schriftlichen Quellen aus der Wikingerzeit festgehalten. Bei den „Wikingern“ im historischen Sinne handelt es sich um Seefahrer, die „auf Wiking fahren“ (altnordisch: fara i viking). Heute sind mit „Wikinger“ alle Nordeuropäer und altnordisch sprechenden Menschen mit einer ähnlichen materiellen Kultur aus der Wikingerzeit, die sich vom 8. bis ins 11. Jahrhundert erstreckte, gemeint.

Weiterlesen: Das Museum Fünf Kontinente In München, vormals Völkerkundemuseum, zählt mit seinen rund 160.000 Objekten zu den größten und bedeutendsten ethnologischen Museen in Deutschland. Nun setzt es sich in einer aktuellen Sonderausstellung mit seiner Kolonialgeschichte auseinander.

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