07.06.2025

Branchen-News Museum

ALTE MEISTER IN NEUEM LICHT

Wird nun mit deutlich reduzierter Beleuchtungsstärke in Szene gesetzt: die Madonna in der Kirche von Jan van Eyck, um 1440. Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Jörg P. Anders

Tageslicht hat seine Schattenseiten. Den Kunstwerken der Berliner Gemäldegalerie hat es erheblich zugesetzt. Ein neues Beleuchtungssystem taucht die Bilder in schonenderes Licht.

„Tageslichtmuseen haben ganz viel Charme, verursachen aber leider auch konservatorische Probleme.“ Babette Hartwieg kennt das Phänomen, denn sie ist die Leiterin der Restaurierung und Kunsttechnologie der Gemäldegalerie der Staatliche Museen zu Berlin SPK. Der von Hilmer & Sattler entworfene Galeriebau am Kulturforum ließ das Tageslicht durch die Decke strömen. Das schaffte eine natürliche Atmosphäre, setzte mit der Zeit aber leider auch einigen Werken zu. Hartwieg deutet auf ein Gemälde aus dem Jahr 1546 – „Der Jungbrunnen“ von Lucas Cranach dem Älteren. Das einst satte Grün einer Baumkrone auf der Holztafel ist einer gräulichen Verfärbung gewichen. „Die Farbpigmente haben photochemisch auf das UV-Licht reagiert“, erläutert die Chefrestauratorin. „Mit dieser Veränderung müssen wir leben: Es ist leider so, dass wir das Gemälde nicht so durch den Jungbrunnen ziehen können, wie Cranach das in diesem Bild zeigt.“ Eine hohe Lichtbelastung kann derartige Schäden verursachen, das ist durch Forschungen belegt. Unter Ausstellungsmachern habe sich im 20. Jahrhundert deshalb ein schärferes Bewusstsein für diese Problematik herausgebildet, sagt Dagmar Hirschfelder, Direktorin der Gemäldegalerie.


Halb so hell: 200 Lux reichen aus

Als ihr Haus erbaut wurde, entsprach der Richtwert noch 400 Lux. Der Lux-Wert gibt die Lichtleistung in einem bestimmten Bereich in Lumen pro Quadratmeter an. Tagtäglich waren die Alten Meister also einem Lichteinfluss ausgesetzt, der weit über dem heute empfohlenen Wert von 200 Lux lag. Und trotz schützender Rollos und Jalousien erwiesen sich Lichteinfall und Lichtwerte besonders an hellen Tagen als hochgradig schädlich. Hartwieg und ihre Kollegen waren alarmierten. „Es war überfällig, das System zu verändern“, resümiert Hartwieg: „Uns musste der Spagat gelingen, den Betrachtern einerseits ein farbneutrales Sehen zu ermöglichen und andererseits dafür zu sorgen, dass unsere Gemälde möglichst keinen weiteren Schaden nehmen.“
Das neue Lichtkonzept konnte dank einer großzügigen finanziellen Förderung der Adolf Würth GmbH & Co. KG. realisiert werden. In Kooperation mit der Firma Erco Leuchten und Lichtsysteme klügelten die Restauratoren und Kuratoren eine innovative Lösung aus, die sie über zwei Jahre hinweg in vier Bauabschnitten umsetzten. Die Arbeiten fanden bei laufen- dem Publikumsverkehr statt, nur Teilbereiche des Museums waren geschlossen.


Spezialfolie auf dem Glasdach

In den Innenräumen installierten die Lichtexperten von Erco ein neues Beleuchtungssystem, während Arbeiter auf dem Dach Folien anbrachten, die das Sonnenlicht filtern. Die gesamte Glasfläche der Decken – etwa 6000 Quadratmeter – wurde mit Folie überklebt. Diese lässt lediglich 10 bis 15 Prozent des Lichts durch, unabhängig davon, ob die Sonne intensiv scheint oder der Himmel trüb ist. Diffuses Licht gab es in der Tageslichtgalerie bereits, erinnert Hartwieg sich. Allerdings konzentrierte es sich vor allem auf Decke und Boden, wohingegen die Wände vergleichbar im Dunkeln lagen und so blau oder stumpf wirkten. Der Umbau erwies sich als Großprojekt: Mehr als 100 empfindliche, sperrige Gemälde aus 58 Galerieräumen mussten abgehangen und gelagert werden. Oder sie wurden in neuem Kontext aufgehängt, was der Ausstellung frische Impulse gab. So fand sich Caravaggios „Amor als Sieger“ zwischenzeitlich im Kreis der Utrechter Caravaggisten. „Hier entstand ein spannender Dialog“, berichtet Hirschfelder. Schließlich habe Caravaggio Hendrick Terbrugghen, Gerard van Honthorst und Dirck van Baburen vor allem im Hinblick auf die Lichtführung maßgeblich beeinflusst.

Das neue Beleuchtungskonzept der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin schont nicht nur die Gemälde, es spart auch Energie. Foto: Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker

Ein besonderer Coup

Heute kann das in den Ausstellungsräumen über die Deckenvouten indirekt einfallende Licht bis auf 20 Lux gedimmt werden. Dies ermöglicht es, zukünftig neben den Gemälden auch sehr lichtempfindliche Objekte, wie Arbeiten auf Papier, auszustellen. „Wir können so die sammlungsübergreifende Präsentation verschiedener Medien und Gattungen sehr viel flexibler gestalten, als dies bisher der Fall war“, freut sich Hirschfelder. Ein „besonderer Coup“ seien die zusätzlichen Spots. Diese ermöglichen es, die Bilder direkt anzustrahlen, sodass die Farben leuchten und die malerische Beschaffenheit der Werke, Details sowie dunkle Partien besser sichtbar sind. Im Caravaggio-Raum etwa setzten die LED-Leuchten im Gesims sowie die Strahler den Meister des Lichts perfekt in Szene. Verschiedene Szenarien testete das Team zuvor in einem Musterraum. Um die historische Situation in den Ausstellungsräumen weitgehend zu erhalten, wurden sämtliche Maßnahmen sehr zurückhaltend ausgeführt.


Lichtblick für die Kunst und den Energieverbrauch

Nicht nur in konservatorischer und ästhetischer Hinsicht stelle der Umbau der Innenbeleuchtung auf LED eine wesentliche Verbesserung dar, so Hirschfelder. Durch zeitgemäße Lichttechnik spare die Gemäldegalerie auch Energie. Ein nachhaltiger Umgang mit den Ressourcen ist auch notwendig, denn bei Licht besehen hat die Gemäldegalerie noch einige Baustellen mehr. So sind die samtenen Wandbespannungen ausgeblichen, sodass die Umrisse der Bilder, die früher an der Wand hingen, sichtbar sind. Vieles seien Alterserscheinungen und Verschmutzungen, so Dagmar Hirschfelder. „Aber wir haben auch in ganz vielen Räumen Vandalismus, die Stoffe sind zerkratzt.“ Sie hofft auf die Gelder für eine umfangreiche Sanierung des gesamten Museums. Damit die Kunst in jeder Hinsicht ins rechte Licht gerückt wird.

Weiterlesen: Welches Schicksal erlitt wohl der Besitzer, der mit einem Beutel keltischer Münzen um 100 v. Chr. nördlich des heutigen Würzburg unterwegs war, ihn dem Boden anvertraute und nicht mehr in der Lage war, zu heben?

Vorheriger Artikel

Nächster Artikel

das könnte Ihnen auch gefallen

Scroll to Top