02.08.2024

Kulturerbe Kunststück Welterbe

13 neue UNESCO-Welterbestätten

Die UNESCO hat bei ihrer diesjährigen Sitzung 13 neue Welterbestätten ernannt. Hier ist das Residenzensemble in Schwerin zu sehen. © Timm Allrich
Die UNESCO hat bei ihrer diesjährigen Sitzung 13 neue Welterbestätten ernannt. Hier ist das Residenzensemble in Schwerin zu sehen. © Timm Allrich

Was haben die Via Appia in Italien, Goldbergwerke in Japan und ein Höhlenkomplex in Malaysia gemeinsam? Sie sind alle als neue Welterbestätten von der UNESCO gekürt worden. Vom 21. bis zum 31. Juli tagte das UNESCO-Welterbekomitee in Neu-Delhi. Auf der 46. Sitzung fanden neben Beratungen über die Neuaufnahme von Welterbestätten auch Diskussionen über den Erhalt und den Schutz des Erbes der Menschheit und die Weiterentwicklung des Programms statt. Auch Deutschland kann sich über zwei neue Eintragungen auf der Welterbeliste der UNESCO freuen.

Bei der diesjährigen Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees nahm das Gremium insgesamt 13 neue Stätten in die Welterbeliste auf. Neben zwei deutschen Bewerbern, einer davon als transnationales Welterbe mit Dänemark, den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland wurden auch Stätten in Europa, Asien und Afrika aufgenommen. Italien, Burkina Faso, Indien, Jordanien, in den Palästinensischen Gebieten, Äthiopien, Frankreich, China, Iran, Japan, Kenia, Malaysia, Rumänien, in der Russischen Föderation, Saudi-Arabien, Südafrika und Thailand gehören zum Kreis der Glücklichen. Die UNESCO zeigt in ihrer Auswahl ein breites Spektrum, neben bekannten Größen, wie der Via Appia, die auch als die „Königin der Straßen“ bekannt ist und die von Rom nach Brindisi führt sind auch weniger bekannte Orte wie die Goldbergwerke der Insel Sado in Japan mit auf der Liste. Die Goldbergwerke sind bedeutende Zeugen der Geschichte des Goldabbaus vor Japans Westküste. Bereits im 12. Jahrhundert wurden erste Minen für den Abbau des begehrten Golds aber auch von Silber dokumentiert. Die Verbesserung der Fördertechnologien, die man aus China und Korea übernahm, machten Japan im 17. Jahrhundert zu einem der weltweit führenden Goldproduzenten. Die Entwicklung fand im Wesentlichen in zwei Phasen statt und lässt sich auf Sado bis heute anhand von historischen Schächten, Verarbeitungsanlagen und Wohngebäuden nachvollziehen. Die Geschichte der Goldminen weist aber auch dunkle Flecken auf, so schufteten von 1910 bis 1945 hunderttausende Koreanerinnen und Koreaner in ihnen, dies häufig unter dramatischen Bedingungen und unter Zwang. Japan erklärte bei der Sitzung des Welterbekomitees diese Geschichte aufzuklären.
Im Höhlenkomplex im Niah-Nationalpark auf Borneo lassen sich wertvolle Überreste einer menschlichen Besiedlung finden. Die prähistorischen Funde sind bis zu 50 000 Jahre alt und belegen den Übergang von Jäger- und Sammlerkulturen hin zu Kulturen, die Landwirtschaft betrieben. Die frühen Bauern Südostasiens bauten hier neben Reis auch Gemüse an. Die Funde in dem Höhlenkomplex zeugen noch heute davon und erlauben es so Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Einblicke in die Frühgeschichte der Region zu erhalten. 

Die Caracalla-Thermen wurden auf dem Kleinen Aventin, in der Nähe des Anfangs der Via Appia errichtet. Fotograf: Stefano Castellani Copyright: © MiC - Ministero della Cultura
Die Caracalla-Thermen wurden auf dem Kleinen Aventin, in der Nähe des Anfangs der Via Appia errichtet. Fotograf: Stefano Castellani Copyright: © MiC - Ministero della Cultura

Meisterwerk des 20. Jahrhunderts gewürdigt

Neben Deutschland konnten sich auch Südafrika und Rumänien über je zwei neue Welterbetitel freuen. In Südafrika erhielten die archäologisch bedeutenden Stätten Diepkloof Rock Shelter, Pinnacle Point und die Sibudu-Höhle die Auszeichnung und bilden gemeinsam die Welterbestätte „Die Entstehung des modernen Menschen: Die pleistozänen Besiedlungsstätten Südafrikas“. Eine weitere Stätte, die sich aus mehreren Orten zusammensetzt, ist „Menschenrechte, Befreiung und Versöhnung: Stätten des Vermächtnisses von Nelson Mandela“, die sich dem Leben und dem Vermächtnis von Nelson Mandela widmen.
Ebenfalls über zwei neue Welterebestätten darf sich Rumänien freuen, die Grenzen des Römischen Reiches, die sich über eine Strecke von mehr als 1000 Kilometern erstrecken dokumentieren die Präsenz der Römer in Südosteuropa. Die Provinz Dakien war die einzige römische Provinz, die vollständig nördlich der Donau lag. Sie wurde durch ein komplexes System von militärischen Einrichtungen und zivilen Siedlungen geschützt. Die heute noch erhaltenen Überreste bieten wichtige Einblicke in die Geschichte des römischen Einflussbereichs und zeugen von der römischen Macht. In Târgu Jiu erinnert ein monumentales Skulpturenensemble an die Verteidigung der Stadt im Ersten Weltkrieg durch eine Bürgerwehr. Der Bildhauer Constantin Brâncuși entwarf die drei Elemente des Ensembles, die zwischen 1937 und 1938 errichtet wurden. Die Werke „Der Tisch des Schweigens“, „Tor des Kusses“ und „Unendlich Säule“ sind Meilensteine der modernen Kunst im öffentlichen Raum. Dieses künstlerische Meisterwerk besticht mit abstrakter Schlichtheit und ist harmonisch in die Landschaft eingebettet.

In Rumänien gibt es seit diesem Jahr zwei neue Welterbestätte, dazu zählen die Werke des Künstler Constantin Brâncuși. Fotograf: Iosef Kovacs Copyright: © National Institute of Heritage, Romania
In Rumänien gibt es seit diesem Jahr zwei neue Welterbestätte, dazu zählen die Werke des Künstler Constantin Brâncuși. Fotograf: Iosef Kovacs Copyright: © National Institute of Heritage, Romania
Auch Südafrika hat zwei neue Welterbetitel erhalten. Orte, die mit dem Leben Nelson Mandelas verknüpft sind zählen nun auch zum UNESCO-Welterbe. Copyright: © Dr Edward Matenga
Auch Südafrika hat zwei neue Welterbetitel erhalten. Orte, die mit dem Leben Nelson Mandelas verknüpft sind zählen nun auch zum UNESCO-Welterbe. Copyright: © Dr Edward Matenga

Transnationales UNESCO-Welterbe

Bereits seit 2015 ist die Siedlung der Herrenhuter Brüdergemeine in Christiansfeld im dänischen Jütland auf der UNESCO-Welterbeliste. In diesem Jahr nahm die UNESCO noch die Siedlungen in Bethlehem in Pennsyvania, Gracehill in Nordirland und Herrnhut in Sachsen auf, die ebenfalls von der Religionsgemeinschaft gegründet wurden. In Sachsen begann die Siedlungsgeschichte der Herrnhuter Brüdergemeine, die auch als Unitas Fratrum oder Moravian Church bekannt ist. Sie ist weltweit für ihre missionarische Arbeit, schlichte Lebensweise und die „Losungen“ bekannt. Bei den „Losungen“ handelt es sich um eine überkonfessionelle Sammlung von Bibeltexten und anderen christlichen Texten, die für den Alltag gedacht sind. Zur Glaubensauffassung der protestantischen Freikirche gehört die Gleichheit aller Menschen vor Gott, praktische Alltagsfrömmigkeit, missionarischer Eifer, Glaubenstoleranz und Schlichtheit in den Gottesdiensten, die gemeindeorientiert sind. Zudem hat sie einen besonderen Baustil entwickelt, der ebenfalls das Schlichte betont. Auch eine eigene Maßeinheit gibt es, so passen Türen aus dem Berthelsdorfer Schloss auch in die Gebäude der Herrenhuter Gemeinen in den USA oder in Nordirland. Das Berthelsdorfer Schloss wurde von Graf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf, dem Gründer der Freikirche im Stile des Barocks umgebaut. Das Gebäude, das von Zinzendorf 1721 neu erbauen ließ, nimmt dabei aber auch den schlichten Baustil der Herrnhuter Brüdergemeine vorweg. Ein Blick in die Kirche bzw. in den Kirchsaal macht dies nochmals deutlich: schlichte Eleganz, bei der die Farbe Weiß dominiert mit zurückhaltenden Stuckarbeiten und schlichten weißen Kirchenbänken zeichnen ihn aus. Ein großer Herrnhuter Stern und ein Kronleuchter aus Messing komplettieren das Interieur. Von besonderer Bedeutung ist die große Orgel. Pfarrer Peter Vogt der Gemeinde in Herrnhut sagt dazu „Wir haben eine Ohrenspiritualität: eine Frömmigkeit, die auf das Hören Wert legt, auf das gesprochene Wort, auf Gesang und Musik.“ Auffällig ist auch, dass die Pfarrerin oder der Pfarrer nicht, wie bei den lutherischen Kirchen von einer Kanzel oder von einem Altar aus spricht – sie sitzen an einem einfachen Tisch. Eine Predigt von oben herab solle so vermieden werden, so der Pfarrer weiter. Schlichtheit ist auch auf dem Friedhof das Stichwort. Wobei die Herrnhuter Gemeinen den Ort der letzten Ruhe ihrer Verstorbenen als „Gottesacker“ bezeichnen. Angelehnt ist diese Bezeichnung an den Glauben der Freikirche, dass die Verstorbenen, wie Saat auf einem Acker, auf den Tag der Auferstehung warten. Die schlichten Grabsteine sind flach in den Boden eingelassen und sollen symbolisieren, dass alle Menschen vor Gott gleich sind. Auf dem Gottesacker herrscht ebenfalls Schlichtheit, so sind weder Blumen, Kerzen noch Bilder der Verstorbenen zu finden. Männer- und Frauengräber sind strikt durch eine Mittelachse, die sich entlang des Friedhofs zieht, getrennt.
Die UNESCO sah die Kriterien iii: „ein einzigartiges oder zumindest ein außergewöhnliches Zeugnis einer kulturellen Tradition oder einer bestehenden oder untergegangenen Kultur darstellen“ und iv: „ein hervorragendes Beispiel eines Typus von Gebäuden, architektonischen oder technologischen Ensembles oder Landschaften darstellen, die einen oder mehrere bedeutsame Abschnitte der Geschichte der Menschheit versinnbildlichen“ erfüllt.

Die Herrnhuter Gemeine entwickelte eigene städtebauliche Konzepte. © Christiansfeld Centret

Entscheidung zu den Schlössern Ludwigs II. in 2025

Ebenfalls mit dem Welterbetitel schmücken kann sich das Residenzensemble in Schwerin. Das es dazu kam ist der mutigen Entscheidung des gerade mal 19 Jahre alten Friedrich Franz II. zu verdanken. 1842 übernahm er die Führung des Hauses Mecklenburg-Schwerin und wurde nach dem Tod seines Vaters Großherzog von Mecklenburg. Sein Vater Paul Friedrich hatte den Bau eines Palais für die Familie im Schweriner „Alten Garten“ angeordnet, nachdem die Familie entschieden hatte, wieder von Ludwigslust zurück an den Regierungssitz Schwerin zu kehren. Friedrich Franz II. stoppte den Bau und entschied sich, das in die Jahre gekommene und stark sanierungsbedürftige Schweriner Schloss zum Familiensitz aufzubauen. Das Schloss sollte aber nicht nur alleine als Familiensitz dienen, sondern auch die dynastische Bedeutung der Familie hervorheben. Die Familiengeschichte reichte bis in das Mittelalter zurück und war das wichtigste Kapital des Herrschergeschlechts. Das Haus verfügte im 19. Jahrhundert weder über bedeutende wirtschaftliche, militärische noch politische Macht. Aber die lange und lückenlose Ahnenreihe und Herrschaftstradition war ein Pfund, mit dem man wuchern konnte. Durch Heirat mit anderen Dynastien entstanden enge verwandtschaftliche Verbindungen, wie die zum preußischen Königshaus und zum russischen Zarenhof.
Eine sorgfältige Inszenierung sorgte dafür, dass die Bedeutung der Familie hervorgehoben wurde. Das sogenannte Thronapartment, eine im 19. Jahrhundert typische Raumabfolge mit drei, aufeinander aufbauenden und abgestimmten Räume bietet dafür ein gutes Beispiel. Besucherinnen und Besucher, die in das Schloss kamen durchquerten zunächst die noch relativ schlicht anmutende „Schlössergalerie“ in der die zahlreichen Familienschlösser dargestellt wurden, bevor sie in die Ahnengalerie kamen. Dort wurden in lebensgroßen Porträts alle regierenden und stammerhaltenden Herzöge des Hauses Mecklenburg-Schwerin präsentiert – und das seit dem Mittelalter. Eigens dafür ließ man im 19. Jahrhundert Bilder der Ahnen aus dem 13. und 14. Jahrhundert malen, denn Gemälde standen nicht zur Verfügung. Zur Orientierung nutzte man Darstellungen von Grablegen und Kirchenmalereien. Nachdem Defilee durch diesen holzvertäfelten Raum trat man im Thronsaal schließlich vor den Großherzog. Dort wurde die „Strategie der Überwältigung“ angewendet, wie Ralf Weingart, der Leiter des Schweriner Schlossmuseums, es nennt. Der Raum der üppig mit vergoldeten Details, Wappen, Marmorsäulen, Skulpturen und Malereien geziert war, erstreckt sich über 1,5 Etagen. Der Thron wird prachtvoll inszeniert, von einem Baldachin bekrönt, ruht er in einem Raum, der von Deckenbildern, die göttliche und weltliche Autorität der Dynastie darstellen, geziert wird. Das Holzparkett des Raums ist gespickt mit Perlmutt-Intarsien und links und rechts des Throns sind überlebensgroße Porträts des Großherzogs und seiner Frau. Die gesamte Inszenierung dient nur dem Zweck zu zeigen, dass das Haus Mecklenburg-Schwerin sowohl in der Geschichte als auch in der Gegenwart herausragend ist. Als Ensemble des Historismus werden hier verschiedensten Stile nebeneinander verwendet und zu einem harmonischen Ganzen zusammengefügt., Ergänzt werden die Bauwerke, die neben dem Schloss noch ein Theater, drei Kirchen, Militärgebäude, einen Bahnhof, eine ehemalige Schule für höfische Beamte, verschiedene Palais und Wohnhäuser sowie einen Krankenpferdestall umfassen, von einer Gartenanlage, die von Peter Joseph Lenné im Stile eines englischen Landschaftsgartens angelegt wurde. Eine Besonderheit des Ensembles ist die Nutzung: neben einer musealen Nutzung des Thronsaals, dient es auch dem mecklenburg-vorpommerischen Landtag.
Die nächste Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees findet vom 6. bis zum 16. Juli 2025 in Bulgarien statt, dort soll dann auch über die Bewerbung der Bayerischen Schlösserverwaltung mit den Königsschlössern Ludwigs II. entschieden werden. Mehr dazu können Sie in der aktuellen Ausgabe der Restauro 5/24 lesen.

Das Residenzensemble in Schwerin steht seit diesem Jahr ebenfalls auf der Liste der UNESCO. © Landeshauptstadt Schwerin
Das Residenzensemble in Schwerin steht seit diesem Jahr ebenfalls auf der Liste der UNESCO. © Landeshauptstadt Schwerin

Vorheriger Artikel

Nächster Artikel

das könnte Ihnen auch gefallen

Scroll to Top