08.07.2014

Museum

Vergänglichkeit in schönen Formen

ab 1972

Eine Berliner Ausstellung widmet sich Vanitas-Kunstwerken junger Künstler und behauptet: „Ewig ist eh nichts“.

Das Vergängliche übte von jeher eine große Faszination auf Künstler aus. Lange stellten sie Vergänglichkeit dar – gezeichnet, geschnitzt, auf Holz und Leinwand gemalt. Manchmal war der Verfall des Körpers das Thema und das Motiv, manchmal lugte der Tod als Mahner nur um die Ecke. In den großen Stillleben des Barock feierte die Kunst das üppige Leben und setzte mit kleinen Andeutungen, schillernden Insekten, attraktiv arrangierten Totenschädeln und dem einen oder anderen leicht verwelkten Hälmchen die drohende Vergänglichkeit als kleine, hübsche Geste ins Bild. Doch droht ein solches Werk wirklich zu vergehen, helfen Restauratoren, es zu erhalten.


7_Dieter-Roth-Karnickelköttelkarnickel-ab-1972-Kaninchenstroh-Kaninchenköttel-21-x-10-x-19-cm-©-Georg-Kolbe-Museum-Berlin-Foto-Markus-Hilbich
Dieter Roth: Karnickelköttelkarnickel, ab 1972, In Hasenform gepresstes Kaninchenstroh, Kaninchenköttel , 21 x 10 x 19 cm 
© Dieter Roth Foundation, Foto: Markus Hilbich, Berlin

Die Einstellung der Künstler zum Verschwinden des eigenen Werkes hat sich freilich grundlegend geändert. Lebensmittel, Blumen, Vergängliches werden nicht mehr nur dargestellt, sondern benutzt – auch um den Preis eines direkten, physischen Sterbens der Kunstwerke. Dieter Roth, der Künstler, der am intensivsten mit Lebensmitteln arbeitete, lehnte Restaurierungen völlig ab: „Kunstwerke sollten sich wie die Menschen ändern, älter werden und sterben“, sagte Roth. Viele seiner Werke sind konsequenterweise heute nur noch undefinierbare Haufen – vergangen und für Ausstellungen verloren. Eine Kaninchenfigur aus Kaninchenmist „Karnickelköttelkarnickel“ ist allerdings gut erhalten und kann in der Ausstellung „Vanitas – Ewig ist eh nichts“ des Berliner Georg-Kolbe-Museums gezeigt werden. Sie ist eines der ältesten, in dieser Ausstellung gezeigten Beispiele für Kunst, die den Verfall thematisiert.

Denn die Ausstellung will zeigen: Das Thema beschäftigt Künstler aller Generationen – auch der jüngsten. Deshalb hatte das Bildhauermuseum keine Schwierigkeiten, Werke jüngerer Künstler zu finden und einige von ihnen zu neuen Werken anzuregen. Da sind zum Beispiel die wie Kostbarkeiten schimmernden Handgranaten aus mungeblasenem Muranoglas von Mona Hatoum, ein an Totenmasken erinnerndes Selbstporträt von Thomas Schütte oder die skelettartigen Figuren von Pawel Althamer. Sie alle beschäftigt – auf eher traditionelle Weise – das Vergehen als Prozess des Lebens.

Das Sichtbarmachen des Vergehens von Zeit spielt für Alicja Kwade dagegen keine Rolle. Sie hat eine Standuhr bereits zermahlen und ihre pulverisierten Einzelteile nach Farben fein säuberlich getrennt in Gläser abgefüllt. Wer solche Arbeiten schafft, macht Restauratoren auch in hundert Jahren wenig Arbeit. Ihre Aufgabe gleich ganz übernommen hat die japanische Künstlerin Kei Takemura. Sie restauriert zerbrochene Alltagsgegenstände wie Brillen, Gläser, Geschirrteile und benutzt dazu die alte japanische, fast vergessene Kintsugi-Technik. Bei dieser Technik werden die zerbrochenen Teile mit Japanlack und Goldfolie wieder zusammengefügt. Danach überzieht Takemura die Objekte mit einem feinen Gazestoff und stickt die verhüllten Bruchstellen mit einem Seidenfaden nach, so dass sie von außen sichtbar werden.
Praktiken des Bewahrens und Erhaltens völlig überflüssig machen die jederzeit wiederholbaren prozesshaften Kunstwerke von Luca Trevisani und Reijiro Wada. Für jede neue Ausstellung der Arbeit „Freeze“ des Japaners Reijiro Wada sind frische Früchte nötig, die zwischen Glasplatten arrangiert werden. Ihr Vergehen ist Teil des Werkes. Ebenso ist es mit den Blumen von Luca Trevisani, die als „James Hiram Bedford“ genanntes Kunstwerk vor weißen Stoffbahnen hängen und im Laufe ihrer Aus-Stellung erst auf- und dann verblühen. Trevisani spielt mit dem Titel der Arbeit auf den Psychologie-Professor James Hiram Bedford an, der seinen Körper 1967 einfrieren ließ – in der Hoffnung, dass er, der an Lungenkrebs litt, durch neue Forschungen wieder zum Leben erweckt und geheilt werden könnte.

Bei einem Kunstwerk wie dem von Tomás Saraceno kann man freilich nur froh sein, dass es nur für den Moment existiert und nicht erhalten werden muss. Denn Saraceno hat für seine Arbeit „Omega Centauri 1 Nephila Kenianensis 4 Cyrtophora citricola“ zwei verschiedene Spinnenarten ihre Netze übereinander spinnen lassen. Im verdunkelten, schwarz ausgekleideten Ausstellungsraum mit Lichtinsel und lebenden Spinnen entstehen die zarten Gebilde während der Dauer der Ausstellung, die das Thema Vergänglichkeit in einer ihrer fragilsten Formen illustrieren.

Der Titel der Ausstellung „Ewig ist eh nichts“ könnte durchaus als Kampfansage an die Arbeit von Restauratoren verstanden werden. Er ist aber doch nur Ausdruck einer Zeitstimmung, die sich, nach Meinung von Kuratorin Nathalie Küchen, in YOLO, dem Jugendwort des Jahres 2012 ausdrückt. YOLO steht für „You only live once“. Wer wollte dem widersprechen.


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Ausstellungsplakat mit einem Detail der Arbeit James Hiram Bedford 
(2013) von Luca Trevisani
Courtesy Mehdi Chouakri, Berlin, Foto © Katharina Kritzler, Berlin
Gestaltung: Ta-Trung, Berlin

Berlin, Georg-Kolbe-Museum, bis 31. August, Katalog: 18 Euro

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