15.07.2015

Projekte

Schlupfwespen gegen Anobien

Foto: APC AG


Schlupfwespe auf Wand_APC
Schlupfwespe, Foto: APC AG, Nürnberg

Eine wirksame Bekämpfung von Anobien durch Einsatz von Nützlingen – das ist nicht nur ein Wunschtraum.

Der Nagekäfer aus der Familie der Anobiidae, oft auch als „Holzwurm“ bezeichnet, ist eine der potentiell schädlichsten Anobienarten. Er richtet in Kirchen, Baudenkmälern und Museen zum Teil verheerende Schäden an. Die Risiken und Kosten toxischer Behandlungsmethoden sind bekannt und sollen an dieser Stelle nicht ausgeführt werden. Aufgrund ihrer positiven Eigenschaften rücken biologische Methoden zur Schädlingsbekämpfung zunehmend ins Interesse der Verantwortlichen. Die Entwicklung und praktische Umsetzung biologischer Schädlingsbekämpfung sind die erklärten Ziele des Vorstandsvorsitzenden des Unternehmens, Alexander Kassel, der auch dieses Projekt initiiert hat und betreut. Ziel war, einen natürlichen Feind des Nagekäfers zu finden, der sich in Massenzuchten vermehren lässt. Nach Versuchsreihen mit zahlreichen Nützlingen fiel die Entscheidung zugunsten einer speziellen Schlupfwespenart Spathius exarator. Es dauerte rund drei Jahre, eine stabile Massenzucht dieser nützlichen Winzlinge im Labor zu etablieren.

Der Entwicklungszyklus

Das Weibchen der Schlupfwespe besitzt eine Größe von 5 bis 9 Millimetern. Bereits aus einiger Entfernung erkennt es das Vorhandensein einer Anobienlarve an deren Geruch und Bewegung in den Bohrlöchern und Fraßgängen im Inneren des Holzes. Durch das Holz hindurch erfolgen dann der Einstich der körperlangen Legeröhre und zunächst die Lähmung der Larve. Durch diese Legeröhre hindurch presst das Weibchen das flexible Ei und platziert es auf der Larve. Aus dem Ei schlüpft nach wenigen Tagen eine Schlupfwespenlarve. Nahrung findet sie in der gelähmten und noch eine Weile am Leben erhaltenen Anobienlarve. Es folgen die Verpuppung der Schlupfwespenlarve und der Ausflug der fertigen Wespe.

Bei rund 20 Grad Celsius beträgt die gesamte Entwicklungsdauer von der Eiablage bis zur flugfähigen Wespe etwa 30 Tage.

Dreijährige Praxiserfahrungen

Im Sommer 2012 begann das Unternehmen mit der Umsetzung der positiven Forschungsergebnisse aus dem Labor in die Praxis. Hierzu wurden im ersten Jahr als Pilotanwendung sechs zum Teil stark befallene kleine bis mittelgroße Kirchen im fränkischen Raum ausgewählt. Im Jahre 2013 und 2014 kamen weitere Objekte hinzu. Zur Bewertung und Erfolgskontrolle wurde eine umfangreiche Dokumentation erstellt. Begleitet und beurteilt wurde das Projekt von einem öffentlich bestellten und vereidigtem Sachverständiger für Desinfektion, Schädlingsbekämpfung und biologische Schäden am Holz.

Im Zeitraum von Mai bis Oktober erfolgten pro Jahr jeweils 6 bis 8 Freilassungen der Nützlinge im Abstand von 3 bis 4 Wochen. In jeweils genau definierten Bereichen der befallenen Objekte wurden bei jeder Begehung die Stärke des Anobienbefalls sowie dessen Reduzierung durch den Einsatz der Schlupfwespen untersucht. Die jeweils neu entstandenen Ausfluglöcher der Anobien und der Schlupfwespen, die sich aufgrund ihrer Größe unterscheiden, wurden bei jeder Behandlung gezählt und dokumentiert. Jedes neu hinzugekommene Ausflugloch der Anobien steht für einen überlebenden, jedes Ausflugloch der Schlupfwespen für einen abgetöteten Nagekäfer.

Aus diesen Daten wurde der Rückgang an geschlüpften Nagekäfer pro Behandlungsjahr und das mittlere Räuber-Beute Verhältnis berechnet.

Ergebnisse und Schlussfolgerungen

Aus den vorliegenden, ausgewerteten Ergebnissen folgt zweifelsfrei, dass die Schlupfwespen effizient Nagekäferlarven parasitieren. Bereits nach einem Behandlungsjahr wurde ein Rückgang von bis zu 81 Prozent, nach zwei Behandlungsjahren sogar eine Reduktion um bis zu 100 Prozent neu geschlüpfter Nagekäfer erreicht. Dies war allein auf die Parasitierungsleistung der S. exarator zurückzuführen, erkennbar an der steigenden Anzahl frischer Schlupfwespen-Ausfluglöcher.


Anstieg Schlupfwespenaktivität
Zunahme der Schlupfwespenaktivität (kumulativ) an Kirchenbänken, Foto: APC AG, Nürnberg

Die Ermittlung der Ergebnisse in Form des mittleren Räuber-Beute Verhältnisses zeigt den drastischen Rückgang an neu geschlüpften Nagekäfern nach der biologischen Bekämpfung. Während in unbehandelten Objekten pro Jahr durchschnittlich eine Schlupfwespe und 26,5 Anobien schlüpfen, sinkt das Verhältnis im ersten Behandlungsjahr auf durchschnittlich 3, im zweiten Behandlungsjahr auf 0,37 und im dritten Jahr, teils ohne Behandlungen, auf 0,13 Anobien pro Schlupfwespe.

Bestätigt fühlte sich die Verfasserin schon durch den überaus positiven Bericht des Sachverständigen aus dem Jahr 2012 während der ersten Einsatzperiode. Hier ein Auszug aus dem Zwischenbericht über den Stand der biologischen Nagekäferbekämpfung in der Kirche I: „Zusammenfassend kann aber bereits jetzt festgestellt werden, dass der bisher erzielte Tilgungserfolg sich durchaus mit den bisher häufig zum Einsatz gebrachten Injektionsverfahren mit chemischen Holzschutzmitteln vergleichen lässt, diesen sehr wahrscheinlich sogar noch übertrifft; und dies ohne den Einsatz eventuell auch gesundheitsgefährdender chemischer Wirkstoffe.“ Weiterhin bestätigt das Gutachten: „Auch Ausfluglöcher von Spathius exarator konnten mittlerweile festgestellt werden, was darauf hindeutet, dass die Eiablage und die sich daran anschließende Entwicklung der Brackwespen offensichtlich erfolgreich verläuft.“

Die häufig geäußerte Befürchtung, dass bei der Biologischen Bekämpfung nach Reduzierung des Schädlingsbefalls ein Befall durch Nützlinge drohen könnte, kann widerlegt werden: Parasitoide brauchen zum Überleben ihre Wirtstiere. Sind hiervon nicht ausreichend vorhanden, sterben die Nützlinge ab.

 

Lesen Sie mehr zum Thema Monitoring von Schädlingsbefall in der aktuellen RESTAURO 5/2015.

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