09.02.2015

Museum

Rezension: Neue Ergebnisse zum NS-Kunstraub

Cover des Buches von Birgit Schwarz

 

Das Recht der ersten Wahl
Birgit Schwarz hat den Zusammenhang von Führervorbehalt und Kunstraub erforscht.

Cover des Buches von Birgit Schwarz

Wenn Birgit Schwarz über Hitler und den NS-Kunstraub schreibt, sollte der Leser bereit sein, Neues zu lernen und einfache Wahrheiten zu revidieren. Denn Schwarz hinterfragt die gängigen Vorstellungen von einem umfassenden, aber wenig kunstverständigen Nazi-Kunstraub und von Hitler, der ein Riesenmuseum in Linz plante. Den bekannten Fakten über den allgegenwärtigen und verbrecherischen Kunstraub fügt sie neue, das Ausmaßund die bürokratiegesteuerte Selbstverständlichkeit eines unvergleichlichen Raubzugs befestigende Fakten hinzu und korrigiert einzelne Vorstellungen nachhaltig. Etwa die vom riesigen „Führermuseum“in Linz. Ihr Fund der Fotoalben, in denen die Erwerbungen für das Museum über Jahre dokumentiert worden waren, veränderte 2004 das Bild von einem Museum, von dem es immer wieder hieß, es sollte größer als Louvre und Uffizien zusammen werden. Die Fotoalben beweisen, dass nie ein gigantisches Museums geplant war, ein Museum voller geraubter Kunst aber sehr wohl.

In ihrem neuen Buch „Auf Befehl des Führers. Hitler und der NS-Kunstraub“ hat Schwarz den Führerbefehl und den NS-Kunstraub untersucht. Dabei geht es sowohl um Hitlers Kunstverständnis und um seine Berater, als auch um das schier unglaubliche Ausmaßdes Raubes und um seine bürokratisch wohl organisierte Verteilung. Namen von Kunsthändlern, die heute, bei Provenienzrecherchen wichtig sind, tauchen in Schwarz’Buch ebenso auf, wie die Schicksale der beraubten, deportierten, ermordeten Sammler. Doch Schwarz erklärt nicht allein die Wege der Bilder, sondern auch das System, das diese Wege ebnete und so perfekt funktionierte, dass dieser Raub bis heute nicht durch vollständige Rückgabe gesühnt werden musste.

„Obwohl die Beschlagnahmungen auf Befehlen Hitlers basieren, durfte nicht in seinem Namen beschlagnahmt werden. Er griff erst zu, nachdem die Kunstwerke im Namen des Deutschen Reiches eingezogen worden waren“, schreibt Schwarz. Der erste „Führervorbehalt“ stammt vom 18. Juni 1938 und sicherte Hitler das Erstzugriffsrecht auf beschlagnahmte jüdische Kunstsammlungen in Österreich.

Nach und nach wurde er – mit mehreren Rundschreiben – auf alle beschlagnahmte Kunst in allen besetzen Gebieten ausgedehnt. Nicht nur in Frankreich und in den Niederlanden, sondern auch in Polen und Tschechien wurde Kunst geraubt und nach Deutschland gebracht. Wohin sie anschließend kam, wurde nach ihrer Qualität entschieden. Das Wertvollste für Hitler, der „Rest“für regionale Museen.

Denn dass Hitler allein Kitsch und Pomp gesammelt habe, wie das Albert Speer nach dem Krieg erzählte und wie es Joachim Fest in seiner großen Hitler-Biografie schrieb, stimmt so nicht, wie Schwarz beweisen kann. Nicht umsonst war Hans Posse, Direktor der Dresdner Kunstsammlungen, mit Auswahl und Aufbau der Sammlungen betraut worden. Seinem Urteil folgte Hitler – auch wenn es um seine privat gekaufte Sammlung ging. Deshalb ist es nicht vermessen, wenn Birgit Schwarz im Vorwort behauptet, ihr Buch schreibe „die Geschichte des NS-Kunstraubs als Geschichte von Hitlers Kunstraub neu“.

In Zeiten, in denen Provenienzforschung beginnt, systematisch betrieben zu werden und endlich auch viele Opfer dieses beispiellosen Kunstraubes auf Rückgabe ihres Eigentums hoffen können, gehört dieses Buch zur Pflichtlektüre – nicht nur für Forscher.

Birgit Schwarz „Auf Befehl des Führers. Hitler und der NS-Kunstraub“, 320 S., Theiss Verlag, Darmstadt, € 29,95.

Das Thema „Raubkunst” behandeln wir ausführlich in der RESTAURO 2/2015.

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