09.10.2014

Kunststück

Paraloid B 72-Platten als Ergänzungsmaterial

 

Die Verwendung von Paraloid B-72 als Ergänzungsmaterial von (Hohl-)Glas wurde vor allem im Corning Museum of Glass durch Stephen P. Koob erprobt (s. Koob, Stephen: Conservation and Care of Glass Objects, New York 2006). Neuste Forschungsergebnisse dazu wurden 2013 auf einer Tagung des Corpus Vitreaum und ICOM in Amsterdam vorgestellt.

Die sehr guten Alterungs- und Reversibilitätseigenschaften machen B-72 zu einer Alternative für die üblicherweise verwendeten, schwer reversiblen und gilbenden Epoxidharze. Anwendung fand diese Methode an einer zerscherbten, mit Hxtal NYL-1 geklebten Glühbirne sowie einem modernen Weinglas. Für das Grundmaterial zur Herstellung der Platten werden 30 g B-72 in 100 ml Aceton gelöst. Um eine Blasenbildung zu vermeiden, werden 20 ml langsamer abdampfendes Ethanol zugesetzt. Das Aushärten erfolgt in einer luftdichten PE-Tüte. Beim Abdampfen kommt es zu einer Schrumpfung von ca. 70 %. Zur Herstellung von dickeren Platten muss deshalb nach 1-2 Tagen erneut B-72 aufgegossen werden. Nach ca. einer Woche sind die Platten in sich stabil, jedoch noch flexibel genug, um an eine Form angepasst zu werden.

Nach Entnahme aus der Silikonform können sie mit einer Haushaltsschere grob zugeschnitten werden. Punktueller Druck zeichnet sich sofort auf der Oberfläche ab, weshalb das Material möglichst nur an den Rändern berührt werden sollte. Nach vollständiger Aushärtung wird das B-72 jedoch spröde und bricht leicht. Methode 1 (für nur von einer Seite zugängige Hohlglasobjekte, vgl. Glühbirne): Um die Krümmung der Fehlstelle anzupassen, wird ein ähnlich geformtes Objekt oder eine intakte Partie am Objekt als Negativunterlage verwendet. Aufgrund des Restanteils an Lösungsmittel im noch flexiblen Material kann es zur erneuten Blasenbildung an der Kontaktfläche zum Glas kommen. Deshalb werden die Platten nach dem vollständigen Aushärten mit etwas Hitze (z. B. Föhn, IR-Lampe) an die Oberflächenkrümmung angepasst. B-72 gehört zur Gruppe der Thermoplasten mit einer Glasübergangstemperatur Tg von 40 °C (s. Produktdatenblatt, Kremer Pigmente). Mit einer Schablone kann die Fehlstelle angezeichnet werden (Abb. links).

Anschließend können feine Ergänzungen mit einem Skalpell, gröbere mit einer Schere ausgeschnitten werden. Methode 2 (für beidseitig zugängige Hohlglasobjekte, vgl. Weinglas): Die besten Ergebnisse hinsichtlich der Transparenz konnten durch Auflegen der noch flexiblen Platte auf die Fehlstelle erzeugt werden. Dabei kann eine Trennschicht (z.B. Polyethylenfolie) angebracht werden, wobei die Fehlstelle ausgelassen wird.

Nach ein bis drei Tagen Trocknung kann der Umriss der Fehlstelle direkt auf die Platte abgezeichnet oder eingeritzt und entlang der Ränder ausgeschnitten werden. Das Einkleben der Ergänzung mit in Aceton gelöstem B-72 führte zum Anlösen der Ränder sowie zu einer daraus resultierenden Blasenbildung. Beim „Verschweißen“ der Ränder mit reinem Aceton kam es zu einer partiellen Trübung der Randbereiche. Daher erfolgte bei der Glühbirne das Einkleben der Ergänzung mit Epoxidharz. Insgesamt konnte ein zufrieden stellendes Ergebnis erzielt werden. Obwohl die Herstellung sowie Verarbeitung der Platten noch einige Verbesserungswünsche offen lassen und viel Zeit in Anspruch nehmen, ist B-72 potentiell für Ergänzungen von Glasobjekten geeignet.

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