22.03.2014

Kunststück

Ein Leuchter aus Schloss Lembeck

Krieg und Vandalismus hinterlassen oft Spuren an Gebäuden und deren Ausstattung. Oft stellt sich für den Restaurator dann die Frage, ob, wie und womit er verlorene Teile ergänzen soll. So auch bei einem Rokoko-Kerzenleuchter auf Schloss Lembeck.

Im Schloss Lembeck, einem Wasserschloss bei Dorsten an der Grenze von nördlichem Ruhrgebiet und südlichem Münsterland, hängt schon seit mehreren Generationen ein prachtvoller Kerzenkronleuchter im Rokokostil. Dort ziert der Leuchter die Decke des großen Festsaals, der auch Schlaunscher Saal genannt wird. Der Kronleuchter hat, wie das Haus selbst, im 2. Weltkrieg durch Bomben und Vandalismus der Besatzer Schaden erlitten. Das genaue Ausmaß des damaligen Schadens lässt sich heute nicht mehr feststellen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass neben der Bausubstanz auch zahlreiche Ausstattungsstücke beeinträchtigt wurden. Für die Jahre nach dem Krieg ist bekannt, dass der Kronleuchter während der 1960er-Jahre neu elektrifiziert wurde. Auch ist erkennbar, dass am Leuchter stellenweise einfache Ausbesserungen erfolgt sind, denn einige Bruchstellen sind geglättet und übermalt. 2012 erfolgte eine umfangreiche Restaurierung des Kronleuchters. Diese hatte das Ziel, den Leuchter zu konservieren und – wo möglich – ihm sein ursprüngliches Aussehen zurückzugeben, sodass der Leuchter wieder in voller Pracht erlebbar wird.

Zwei Gründe gaben Anlass zu diesem Eingriff. Zum einen hatte sich die Nutzung des Schlaunscher Saales geändert. Der Saal sollte künftig auch für Hochzeitsfeste, Empfänge usw. dienen. Zum anderen – und dies war der wichtigere Grund – waren bereits zahlreiche Bestandteile des Kronleuchters zerfallen oder verloren gegangen, sodass bei weiteren Verlusten zu befürchten war, dass man keine Vorlagen mehr hätte, um bei einer späteren Restaurierung Teile zu rekonstruieren. Nachfolgend werden einige Faktoren beleuchtet, die den Restaurierungsprozess wesentlich bestimmt haben.

Der zentrale Bestandteil des 1,5 m hohen Leuchters ist ein runder Ring mit sechs Armen. Dabei gliedert sich jeder Arm in drei weitere Einzelarme, die in je einem Kerzenträger enden. Insgesamt weist der Leuchter einen Durchmesser von 1,4 m auf. Am Mittelstück, bis 0,6 m oberhalb des Randes, ist der Kronleuchter mit einer raffinierten Reihe von kelchförmigen Ornamenten versehen, an der drei weitere Armen mit je einem Kerzenträger auf einer Armatur angebracht sind. 0,3 m höher folgt ein Block mit acht für den Rokoko-Stil sehr charakteristischen C-förmigen Elementen.

Das Spätbarock oder der Rokokostil sind gekennzeichnet durch Asymmetrie, Schnörkel, C-Formen und den häufigen Gebrauch von Akanthusblättern. Abbildung 6 zeigt, wie wirkungsvoll, elegant und verschiedenartig die Akanthusblätter im Rokokostil ausgeführt sind. Gleichzeitig ist deutlich zu erkennen, dass die freihängenden, dünnen Akanthusblätter sehr zart und empfindlich sind.

Durch extreme Gewalteinwirkung von außen, möglicherweise durch ein Abstürzen von der Decke, durch Kriegsgewalt oder Vandalismus, sind fast alle Arme mehr oder weniger verbogen. Zudem ist das Holz an den Biegestellen zerbrochen. Auch sind kleine und große Ornamentteile abgebrochen. Wohlmöglich sind im Verlauf der Zeit noch weitere Teile des beschädigten Holzes abgefallen. Bemerkenswert hierbei ist, dass kein einziges abgebrochenes Teil mehr vorhanden ist. Ebenso bemerkenswert ist, dass im oberen Bereich fünf C-Elemente und einen Arm völlig fehlten. Bei der Untersuchung des Leuchters im Hinblick auf frühere Restaurierungen zeigte sich, dass man sich bei früheren, nicht näher datierten Maßnahmen darauf beschränkt hat, Bruchstellen zu glätten und mit Bronzefarbe zu übermalen.

Patrick Damiaens ist Möbelrestaurator in Belgien. Seinen ganzen Bericht lesen Sie in der aktuellen Restauro 03/2013, die in diesen Tagen erscheint und in welcher wir uns auch mit dem Thema der Fertigung von Posamenten nach traditioneller Art befassen.

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